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2215 - Der Schohaake

Titel: 2215 - Der Schohaake
Autoren: Unbekannt
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zeigen könntest, was dich so unruhig macht."
    Ein lang gezogenes Geheul war die Antwort. Dann begann Sam wütend zu knurren und wie anklagend zu kläffen. Skargues Sorge wuchs noch, als er zwei, drei Schritte vorwärts machte und Sam keine Anstalten traf, ihm zu folgen. „Du willst nicht weiter?", fragte der Wissenschaftler. Er atmete tief ein und schüttelte den Kopf. Sams Verhalten signalisierte Gefahr. Aber welche? Auf einen Bären oder ein Wolfsrudel hätte er anders reagiert. Also was war es dann? „Vielleicht hast du Recht, und wir sollten eine Pause einlegen", sagte Skargue. „Wir haben seit gestern nichts Richtiges mehr gegessen."
    Erst jetzt, als er seinen schweren Rucksack abschulterte, spürte er, wie sein Magen knurrte. Es war tatsächlich Zeit für eine Pause. Vielleicht beruhigte sich Sam ja.
    Der Huskie wich vor Skargue zurück, als dieser ihm einen Brocken Fleisch hinhielt.
    Er fletschte die Zähne. Dann folgte wieder das Geheul. Es klang jammervoller denn je.
    Trotzdem, entschied er, hatte es keinen Sinn, mit leerem Magen aufs Geratewohl loszulaufen. Er aß also etwas von seinen Vorräten und nahm einen kräftigen Schluck aus seiner letzten Branntweinflasche, dann noch einen. Sofort spürte er die Wärme, die sich in seinem Körper ausbreitete. Er brauchte das. Alexander Skargue war Alkoholiker. Seit seinem Aufbruch vor zwei Tagen hatte er zwei Flaschen geleert. Er wurde davon nicht betrunken, nicht mehr. Es stimulierte ihn, regte seinen Geist an, regulierte die Durchblutung, war in seinen Augen der beste Schutz vor allen unangenehmen Überraschungen.
    Und vor den Menschen.
    Wenn Skargue nach Mol ging, war er nie nüchtern. Er wollte nur so viel mit anderen Menschen zu tun haben wie gerade nötig. Der Einzelgänger hielt nichts von der Kultur seiner Artgenossen und noch weniger von den Städten.
    Alexander Skargue war in Versuchung, die Flasche ganz auszutrinken. Am Ende beherrschte er sich. Er musste einen einigermaßen klaren Kopf behalten angesichts dessen, was möglicherweise vor ihnen lag.
    Das Schneetreiben hörte so plötzlich auf, wie es eingesetzt hatte. Die Nachmittagssonne kämpfte sich durch die Wolken. Sie stand tief und schickte ihre Strahlen wie Lichtspeere durch die Äste der vereinzelt stehenden Fichten.
    Alexander Skargue war weitergegangen. Sam hatte sich anfangs geweigert, aber nach langem guten Zureden war er seinem Herrn schließlich gefolgt, hatte inzwischen wieder die Führung übernommen.
    Der im Sonnenlicht glitzernde Schnee hatte alle Spuren begraben. Das war allerdings kein Hindernis für Sams feine Nase. Womöglich war sein Sehvermögen stark eingeschränkt, doch seinen Geruchssinn betraf das nicht: Er witterte die Fährte der Elchkuh auch unter der weißen Decke. Alexander Skargues Arbeit, nämlich Proben der Kothaufen des Tieres zu nehmen und zu untersuchen, war dagegen so gut wie unmöglich geworden. Bestimmte Hormone im Kot konnten ihm Aufschluss darüber geben, ob die Kuh trächtig war oder nicht. Bisher hatte er diese Hormone noch nicht herausfiltern können, doch er benötigte zumindest drei Vergleichsproben, um Gewissheit zu erlangen.
    Der Weg wurde steiler. Am späten Nachmittag erreichten sie die Waldgrenze. Vor ihnen lag karges Hügelland. Dahinter erhob sich der ewig weiße, majestätische Gipfel des Glittertind.
    Der Schnee lag hier höher. Skargue schnallte sich die Schneeschuhe vom Rücken.
    Allmählich verspürte er doch eine aufkommende Müdigkeit.
    Es war ungewöhnlich, dass sich ein Elch in diese Höhe verirrte. Skargue fragte sich, ob Sam überhaupt noch der Fährte der Kuh folgte oder ob etwas anderes ihn vorantrieb. Sein Fell war fast ununterbrochen gesträubt. Dann und wann winselte oder jaulte er, blieb stehen und sah sich nach Skargue um - so als könne er es nicht erwarten, dass der Biologe ihm folgte. Sam war wie ausgewechselt. Hatte er sich vorhin noch vor Angst gewunden, so schien er nun voller Ungeduld zu sein. Skargue fand nur eine Erklärung für sein geändertes Verhalten: Sam war auf Jagd!
    Der 98-jährige musste sich selbst gegenüber zugeben, dass es ihm nicht anders ging. Er glaubte nicht mehr daran, in dieser Höhe die Elchkuh zu finden. Es ging ihm wie Sam um das, was der Huskie seit Stunden witterte. Etwas lauerte in dieser Einöde. Etwas, das für Sam attraktiver geworden war als die Elchfährte, die er verloren oder vielmehr verlassen hatte.
    Etwas lauerte ...
    Die Sonne ging hinter dem Glittertind unter. Es begann zu
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