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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
Autoren: Karl May
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sich überstürzender Weise dem Ustad zornig zu:
    „Was soll das sein? Was willst du mir mit diesem Märchen sagen? Wo hast du es her? Sind es deine eigenen Gedanken? Von diesen ‚Tausend und ein Tag‘ hörte man noch nichts! Du willst mir entgehen, indem du dich hinter alte, mythenhafte oder neue, selbstersonnene Lügen versteckst. Gib mir Antwort auf das, was du von mir hörtest! Ich sagte: Zeige mir einen solchen Unmöglichen, Undenkbaren, so bin ich dein. Wo nicht, so bist du aber mir mit allen deinen Dschamikun verfallen! Du weißt nicht, was euch droht. Ich bin gekommen, euch zu vernichten!“
    Da kam der Ustad langsamen Schrittes herbei, trat in den Kreis, sah mitleidig auf ihn hernieder und antwortete:
    „Du armer, armer Mann! Deine Macht mag noch so groß sein; die Allmacht aber, gegen welche du dich aufbäumst, ist doch noch größer! Hast du nicht zugestanden, daß zu alles, alles geben würdest, selbst dein Herz mit seinem ganzen Haß, wenn du einen einzigen wahrhaft Liebenden fändest? Du hast am falschen Ort gesucht. Suche an der rechten Stelle! Denn daß du überhaupt suchst, das hast du mit diesen deinen Worten zugegeben. Und man sucht doch nichts, ohne daß man es begehrt und es zu haben wünscht. Du willst uns vernichten? Wohl durch deinen Haß? Ich aber sage dir, daß ich es bin, der dich vernichten wird! Und zwar durch meine Liebe, indem ich dich segne! Du wirst von diesem meinem Segen aufgezehrt werden, so aufgezehrt, daß nichts mehr von dir übrigbleibt. Und doch, zu gleicher Zeit wirst du in diesem meinem Segen erstehen und wachsen zu einem neuen, wunderbaren Leben. Ich gebe ihn dir, den Segen, der dich ganz und voll erneuern wird!“
    Bei diesen Worten legte er ihm die beiden Hände auf die Schultern. Der Perser aber fuhr vor ihm wie vor einer Natter zurück und rief aus:
    „Ich mag ihn nicht! Ich schüttele ihn ab! Dein Segen ist ein Fluch für mich!“
    „Ich habe ihn dir gegeben, und er bleibt! Du bist ihm verfallen, und der Liebe, die dich verfolgen wird, bis du vor ihr zusammenbrichst!“
    Da lachte Ahriman Mirza in schallendem Hohn auf und antwortete:
    „Du sprichst so kindisch und zugleich so altersschwach, wie eure sogenannte Frömmigkeit ja stets zu reden pflegt! Sie ist die alt und schwach gewordene lächerliche Tante aller der augenverdrehenden Seelen, welche so gern die Hände auflegen, um ihre Bettlerarmut und Begehrlichkeit hinter dem nur allzu durchsichtigen Schleier des sogenannten Segens zu verbergen. Hast du schon einmal einen Menschen gesehen, der dir seine Segen umsonst gegeben hat? Was hast du bezahlen müssen, bevor oder nachdem du ihn bekamst? Wer sind die von Himmelsgaben strotzenden Millionäre, welche zu segnen wagen? Untersuche ihre Taschen, um darin noch weniger als nichts zu finden. So stehst auch du vor mir in deiner ganzen, armseligen Bettelhaftigkeit! Was gibst du mir? Ein leeres Wort, welches dich nichts kostet! Und was forderst du dafür? Mich selbst, mit allem, was ich bin und was ich habe. Ja, nicht nur das! Du verlangst auch gar noch das, was ich durch diesen Segen zu werden habe! Du siehst es jetzt an dir: euer Himmel gibt nur Worte und läßt sie sich mit dem vollen Inhalte einer ganzen Zeit und Ewigkeit bezahlen. Die Hölle aber gibt, gibt und gibt ohne Unterlaß. Sie teilt die ganze Fülle der Glückseligkeit an den durch euch verarmten Menschen aus und will nichts, nichts von ihm dafür, als daß er sie genieße! Sag, bist du vielleicht schon so tief in eure Lügenhaftigkeit versunken, daß du es wagen kannst, dies leugnen zu wollen?“
    Da wich die bisherige Milde aus dem Gesicht des Ustad. Sein Gesicht wurde tiefernst, und sein Auge richtete sich auf den Perser, als ob der Blick desselben alle Bestandteile seines Leibes und seiner Seele aufzulösen vermöge.
    „Du stehst weit, weit jenseits jener Grenze, an welcher das Geschöpf zum Teufel wird!“ sagte er. „Deine Gedanken besitzen die betrügerische Geschmeidigkeit der Hölle. Wollte ich dich mit Worten schlagen, so müßte ich mit ihnen zu dir hinab in die Dschehennah steigen. Aber ich verzichte auf das Wort, denn ich weiß, daß dich deine eigene Tat zerschmettern wird! Im heiligsten der Bücher steht geschrieben, daß die Menschen sich von der Weisheit Chodehs nicht überzeugen und von seiner Gerechtigkeit nicht strafen lassen. Und in den Büchern der Geschichte ist zu lesen, daß sie seine Güte verachten und keine Nächstenliebe haben. Sie sind hartnäckiger als die Teufel, welche
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