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219 - Kaiserdämmerung

219 - Kaiserdämmerung

Titel: 219 - Kaiserdämmerung
Autoren: Mia Zorn
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koordiniert und vorangetrieben wurden.
    Die Versammlung brachte keine nennenswerte Neuigkeiten: Nach wie vor waren Ärzte, Wissenschaftler und die meisten der Soldaten der Kaiserstadt nach Orleans und Avignon entsandt, um in den betroffenen Gebieten vor Ort zu helfen. Die Produktion des Gruh-Antiserums lief, und es sollte auch weiterhin vorsorglich verteilt werden. Insgesamt war man mit den Aufbauarbeiten und der Versorgungssituation von Verletzten und Kranken zufrieden.
    Bislang waren erst drei Fälle auftauchender Gruh gemeldet und bereinigt worden. Auf Anregung des neuen Kriegsministers de Fouchés waren fast alle Gardisten im Umkreis der Großen Grube in Rozieren und zu Fuß unterwegs, um die letzten verbliebenen Gruh aufzuspüren.
    Rönee seufzte leise. Wie gerne wäre er jetzt einer dieser Gardisten! Nicht das erste Mal bereute er, seinen Dienst als Leibwächter angenommen zu haben. Natürlich genoss er damit ein höheres Ansehen bei den Leuten. Und anfangs hatte die Gesellschaft des Prinzen, zu dessen Schutz der Kaiser ihn abgestellt hatte, sogar Spaß gemacht: Akfat war in seinem Alter und sie hatten einen fast kameradschaftlichen Umgang miteinander gepflegt.
    Aber seitdem Akfat sich von diesem de Fouché beraten ließ, war es aus mit der Kameradschaft. Der Prinz verhielt sich reserviert Rönee gegenüber und sprach kaum noch über Persönliches mit ihm. Hinzu kam noch, dass in der Stadt niemand mehr war, den der junge Leibwächter aus seiner Ausbildungszeit in der kaiserlichen Kaserne kannte. Bleibt also nur noch mein Ansehen, und darauf kann ich pfeifen, dachte er grimmig.
    Er beobachtete die beiden Bediensteten, die sich wie lautlose Schatten durch den salonartigen Raum bewegten. Sie reichten den Anwesenden frischen Kaffee und Gebäck. An dem langen Besprechungstisch saßen sämtliche Minister der Stadt, Prinz Akfat, Kommandant Lysambwe, Polizeioffizier Rechilje, Doktor Aksela und der Produktionsmeister Lococ. Trotz der Fortschritte ihrer gemeinsamen Arbeit war die Stimmung, gedrückt: Man machte sich Sorgen um den Verbleib des Kaisers.
    Vor Wochen war er mit dem Mann aus der Vergangenheit, diesem Commander Matthew Drax, aufgebrochen, um einen ominösen Zeitstrahl zu suchen, der ihn vor einem plötzlichen Altern mit Todesfolge retten konnte. [2]
    Bislang gab es nicht das geringste Zeichen, das auf ihre baldige Rückkehr hoffen ließ. Es blieb nichts anderes übrig, als weiter zu warten. Und noch eine Nachricht hing wie eine düstere Gewitterwolke über den Köpfen der Versammelten: Prinzessin Marie hatte durch einen Boten mitteilen lassen, dass ihre und Akfats Schwester Antoinette seit ihrem überhasteten Aufbruch von Orleans immer noch als verschollen galt. Marie hatte persönlich die Suche nach ihr geleitet, leider ohne Erfolg.
    Rönee betrachtete nachdenklich den Prinzen. Seine schmächtige Gestalt thronte am Kopfende des Tisches. Er hatte Maries Botschaft überraschend ruhig aufgenommen. Überhaupt leitete er die Versammlung sehr souverän. Von Unsicherheit keine Spur. Doch Rönee wusste, dass sich hinter den leicht arroganten Zügen im Gesicht des Prinzen in Wahrheit Zweifel verbargen.
    Der Prinz schämte sich immer noch für sein feiges und überhebliches Verhalten aus vergangenen Tagen. Obwohl er, nach einem Sinneswandel, bei den finalen Kämpfen bei der Großen Grube vielen Menschen das Leben gerettet hatte, traute er seiner Läuterung wohl selbst am allerwenigsten. Vielleicht waren es diese Zweifel, die ihn immer weiter in die Arme de Fouchés trieben. Akfat bewunderte ihn und traf kaum noch eine Entscheidung ohne den Kriegsminister.
    Was auch immer ihn dazu veranlasst, es hat unsere aufkeimende Freundschaft zerstört, dachte Rönee. Seine Blicke wanderten über die Gesichter der anderen und blieben an Rechilje hängen. Wie die meisten Offiziere, die jetzt in Wimereux waren, hatte de Fouché diesen Polizeioffizier nach seinem Amtsantritt aus Orleans herbeordert. Rechiljes Aussehen erinnerte Rönee an einen Kolk: Er trug eine schmucklose Uniform, die so schwarz war wie sein Haarzopf, und hatte ein spitzes Gesicht. Leicht vornüber gebeugt, war er mit dem Kaffeesatz seiner Tasse beschäftigt.
    Genau wie Rönee schien auch er sich zu langweilen. Oder doch nicht? Der Leibwächter sah, wie Rechiljes Augenbrauen nach oben schnellten. Schmaläugig wandte er sich Lysambwe zu.
    Der Kommandant beschwerte sich gerade darüber, dass man fast alle Gardisten aus der Kaiserstadt abgezogen hatte. »Unnötig«,
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