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215 - Die Macht des Sehers

215 - Die Macht des Sehers

Titel: 215 - Die Macht des Sehers
Autoren: Jo Zybell
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feixenden Mann, nahm er wie durch einen dichten Nebel wahr – durch den Nebel seiner Schmerzen. Er versuchte sich zu konzentrieren und verstand dennoch nur die Hälfte.
    Wyluda erzählte von hochgerüsteten feindlichen Truppen, von ihren unterirdischen Tunnelsystemen, von ihren Kanonen, Wasserleitungen und von Felsbunkern voller Waffen. »Und all das, Meister Haggard, wirst du mir aufspüren«, schloss der Kriegshäuptling. »Und dazu natürlich noch die getarnten Spione und Angreifer in der Umgebung meinen schönen Festung.« Er musterte den Seher und runzelte misstrauisch die Stirn. »Du kannst doch deren Ausstrahlung sehen, habe ich mir sagen lassen, oder? Wie nennt man das gleich? ›Aura‹ – habe ich Recht?«
    Yann nickte. »Sicher doch, sicher…«
    Und dann sagte er: »Ich habe immer noch nicht verstanden, was du mir dafür bezahlen willst. Oder habe ich das überhört?«
    »Was ich bezahle?« Wieder stimmte der Kriegshäuptling sein schallendes Hohngelächter an, und wieder presste Yann sich die Handballen gegen die Ohren. Von einem Augenblick auf den anderen verwandelte sich Wyludas vergnügte Miene in eine zornige Grimmasse. »Du dienst mir als Seher!«, brüllte er und deutete auf das Bassin. »Oder du gehst schwimmen!«
    »Ist gut, ja… ist ja gut.« Yann hob abwehrend beide Hände.
    »Ich tue, was du willst. Nur gib mir mehr Schmerzmittel, sonst kann ich nicht arbeiten.«
    »Besorg das Mittel für unseren neuen Mitarbeiter, Woyzakk!«, rief der Kriegshäuptling. »Doch lass dir ruhig Zeit, hörst du?« Er feixte dem Seher ins schmerzverzerrte Gesicht. »Je intensiver der Schmerz und je länger er anhält, desto größer der Genuss, wenn er dann endlich nachlässt!«
    Yann Haggard würgte einen Brechreiz hinunter. Dieser Wyluda widerte ihn an. Seine eigenen Kopfschmerzen widerten ihn an. Er blickte zum Bassin mit den Raubfischen.
    Schwur hin, Schwur her, sein Entschluss stand fest: Er würde sich betäuben und in das Bassin springen – und für immer Ruhe finden.
    ***
    Am Ende des dritten Flugtages überquerten sie den Sambesi.
    Sie flogen an einer Stelle über ihn hinweg, an der er über Hunderte von Kilometern zu einem See gestaut war. Bis zu dieser Stunde hatten sie Nordwestwind gehabt und waren gut vorangekommen. Doch dann drehte der Wind und blies heftig von Süden her. Das Luftschiff verlor an Geschwindigkeit. Zu allem Überfluss tauchten auch noch große Vogelschwärme auf, die nach Norden zogen – Gänse, Spatzen und Marabus.
    De Rozier stieg in eine größere Flughöhe hinauf; einmal, um den Vogelschwärmen auszuweichen, zum anderen, um weiter oben eine günstigere Luftströmung zu erwischen.
    Je höher sie stiegen, desto kälter wurde es. Vor allem de Rozier hielt sich so nahe wie möglich am Heizkessel auf, um von dessen Hitze zu profitieren. Dennoch musste der Kaiser bald einen Mantel und Handschuhe anziehen. Matthew Drax’
    Spezialanzug aus marsianischer Produktion bewältigte den Temperatursturz ohne Probleme.
    Nach zwei Stunden erlosch plötzlich das Feuer in der Brennzelle. Sofort verlor das kaiserliche Luftschiff an Höhe.
    »Was ist passiert?« Matt Drax spähte auf die Armaturentafel und versuchte aus den Anzeigen der Kontrollinstrumente schlau zu werden. Sie boten auf einmal kein Bild mehr, das ihm vertraut war.
    De Rozier erkannte das Problem sofort. »Die Sauerstoffzufuhr zur Brennzelle ist gestört!« Ganz hektisch wurde er auf einmal: Er riss sich die Kapuze seines Fellmantels vom Kopf, streifte die Lederhandschuhe ab und drehte das Ventil der Luftansaugpumpe bis zum Anschlag auf.
    »Ist die Leitung vereist?«, fragte Matt. Er sah zum Fenster –Eisblumen waren dort über die Scheibe gewachsen.
    De Rozier kniete am Boden und tastete die Rohrleitung ab, die von der Ansaugpumpe aus knapp über dem Gondelboden an der Innenwand entlang bis zum Brenner unter der Maschinenluke führte. »Non, non – aber was ist es dann, mon dieu?« Mit sichtlich nervösen Fingern öffnete er eine Tür in der Innenverkleidung der Wand. »Eine Lampe«, forderte der Mann aus dem 18. Jahrhundert. »Geben Sie mir eine Lampe, Monsieur Drax!«
    Der Mann aus dem 21. Jahrhundert zog seine kleine Stablampe aus der Beintasche seines Anzuges und reichte sie dem Kaiser. Der leuchtete das Gewirr von Leitungen und Schläuchen in der Wand aus. Matt ging zum Fenster, hauchte es an und rieb mit dem Ellenbogen über die Scheibe, bis er durch ein kreisrundes, eisfreies Stück nach draußen schauen konnte: Das
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