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212 - Beim Stamm der Silberrücken

212 - Beim Stamm der Silberrücken

Titel: 212 - Beim Stamm der Silberrücken
Autoren: Jo Zybell
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die sich noch an die erste Begegnung zwischen den Menschen und ihrem Stamm erinnern konnte. Und die Einzige, die den Kometeneinschlag noch selbst erlebt hatte und wusste, von wo die Gorillas damals aufgebrochen waren, um den langen Weg bis zum Kilmaaro zu wandern.
    Den warmen Jahren folgten wieder kalte Winter mit Eis und Schnee. Die Nahrung wurde knapp, und der See konnte die vielen hungrigen Mäuler nicht mehr ernähren. Bora entschloss sich, in ihre alte Heimat im Westen zu ziehen. In die feuchten Bergwäldern, die ihr Stamm vor vielen Wintern unter der Führung Bukkars verlassen hatte. Damals, als der Tod aus dem All die Erde getroffen und beinahe vernichtet hatte.
    Layi hing mit zärtlicher Liebe an der alten Gorillafrau. Sie, ihr Sohn, drei Männer und vier Frauen schlossen sich ihr an, als sie mit über zwanzig Gorillas aufbrach. Elf Männer und Frauen – bis auf drei hatten alle dunkle Haut – und über dreißig Gorillas blieben im Flugzeugwrack zurück.
    Es sollten fast fünfhundert Jahre vergehen, bis Nachkommen beider Horden sich wieder begegneten.
    ***
    Kilmaaro, März 2524
    Die Gorillas führten sie durch den Urwald. Ihren toten Anführer hatten sie an der Stelle bestattet, wo ihn sein eigener Spieß durchbohrt hatte. Der bleiche Mann mit den roten Augen und den langen weißen Haaren hatte die Waffe im Fallen hochgerissen.
    Es war nicht mehr als ein Abwehrreflex des Albinos gewesen – der Zilverbakführer war einfach in seinen eigenen Spieß hineingesprungen.
    »Ich hätte schießen sollen.« Matt Drax machte sich Vorwürfe. »Ich hatte ihn im Visier, doch ich hatte Angst, dich oder die Frau zu treffen.«
    »Gut, dass du nicht geschossen hast«, stöhnte Rulfan. Aus Ästen, Lianen und Zweigen hatten sie eine Trage für ihn konstruiert. Darauf lag er nun mit schmerzverzerrtem Gesicht.
    Zwei Zilverbaks trugen ihn. Die schwarze Amazone tränkte ihn alle drei Minuten, wedelte ihm frische Luft zu und verscheuchte die Fliegen von seinem Gesicht. »Wenn du ihn erschossen hättest, wäre es wie Krieg gewesen. Sie hätten Vergeltung geübt, wir hätten uns verteidigen und zurückschlagen müssen, und immer so weiter. So aber war es ein Zweikampf zwischen Gleichrangigen, wie er bei ihnen üblich ist. Der Sieger gilt als neuer Führer.«
    Dass es auch ein Zweikampf um eine Frau gewesen war, sprach er nicht aus. Jeder, der es wissen wollte, wusste es auch so.
    »Na, herzlichen Glückwunsch!« Matthew Drax verdrehte die Augen und schlug einen sarkastischen Tonfall an. »Dann bist du also jetzt der Big Master of the Jungle in dieser Gegend hier, oder wie?«
    Die Zilverbaks, die ihn trugen, stolperten über eine Wurzel.
    Im letzten Moment hielten sie die Trage fest. Rulfan schrie auf vor Schmerzen. Sofort beugte Lay sich über ihn und hielt seine Hand.
    Rulfans Schulter war verletzt und jeder Atemzug schmerzte ihn. Vermutlich hatte der schwere Körper des getöteten Anführers ihm außerdem ein paar Rippen gebrochen.
    »Hoffentlich verlieren sie nicht den Respekt vor dir, wenn du so schreist«, sagte Matt Drax. Rulfan antwortete nicht.
    Seine Augen suchten die zärtlichen Blicke der Frau.
    Nach kurzem Marsch erreichten sie den mächtigen Stamm eines Urwaldriesen, über hundert Meter hoch.
    Sein Stamm durchmaß mindestens sechs Meter und die tief hängenden Äste seiner Krone bedeckten sicher die Fläche eines präapokalyptischen Fußballplatzes. Ein Drittel dieser Fläche hatte der Zilverbakstamm mit einer Palisade aus unbearbeiteten Baumstämmen eingezäunt. Dahinter sah Matt etwa zwanzig Kamshaas, ein paar langhalsige Laufvögel und zwei junge Efranten.
    Nur wenige Schritte vom Stamm entfernt hing, an zwei starken Ästen zehn Meter über ihm festgebunden, der geöffnete und ausgenommene Körper eines kolossalen Tieres. Es war gehäutet, und so erkannte Matt erst auf den zweiten Blick, was da hing: der Berg-Efrant von Lysambwes Bruder, fürchtete er.
    Sie legten Rulfan samt seiner Trage in einer höhlenartigen Wölbung des oberirdischen Wurzelgeflechts ab. Lay kniete bei ihm nieder und versorgte ihn.
    Nach und nach schlüpften Dutzende großer und kleiner Zilverbaks aus einer Höhle zwischen den Wurzelsträngen und versammelte sich um die Trage. Auch einige Menschen waren dabei – hellhäutige Männer vor allem. Sie alle verbeugten sich vor dem verletzten Albino und stimmten eine Art Jubelhymne an. Matt Drax traute weder seinen Augen noch seinen Ohren: Die ganze Bande huldigte wahrhaftig ihren neuen
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