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2118 - Quintatha

Titel: 2118 - Quintatha
Autoren: Unbekannt
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mich spricht."
     
    *
     
    Aufmar empfand Mitleid für den Kleinen, der in den für ihn zu hohen Sessel gedrückt wurde und offensichtlich gar nicht mitbekam, wie ihm geschah. Doch derlei Gefühle musste er angesichts der Wichtigkeit der Aufgabe zurückdrängen.
    Weiß der Graue, was sich Shirka davon verspricht!, dachte Aufmar. Ich kann und werde jedenfalls keine Rücksicht nehmen. Er startete seinen Redezeitmesser.
    „Als der herausgeforderten Partei obliegt mir die Wahl des Themas", begann er. Schon jetzt lehnte die Natter weit hinüber auf Benshas Seite. „Und ich wähle die Frage nach dem Sinn allen Seins."
    Gut zwei Drittel der Zuhörer applaudierten kräftig.
    Na bitte! Lang kann dieses Duell nicht dauern, dachte Aufmar.
    Und damit sollte er Recht behalten. Es war kein sich belauerndes Umkreisen, kein vorsichtiges Abtasten, kein Vorstoßen aus gesicherter Deckung, kein zähes Ringen um Millimeter und Beistriche und schon gar kein Spiel auf Zeit.
    Es war eine kurze, trockene, saubere Hinrichtung.
    Aufmar machte sich nicht die Mühe, ein kompliziertes Gedankengebäude aus Definitionen, Umkehrschlüssen und Syllogismen zu errichten. Schließlich waren die meisten seiner Zuhörer einfache Matrosen oder Harpuniere, die auf feinsinnige semantische Kleinode pfiffen.
    Als Erstes baute er dem zu erwartenden Argument des Heldentodes vor, indem er darauf hinwies, dass ein solcher sich ad absurdum führe, wenn danach die Kalte Hölle wartete. Ja selbst wenn man diese nur als Zwischenstation bis zur Rückkehr in Anguelas Reich betrachtete, sprach nicht das Geringste dafür, der aktuellen persönlichen Existenz im Halbraum ein vorschnelles Ende zu setzen - denn da der Zyklus ein unendlicher war, wiederholte er sich sowieso unendlich oft, und daher gewann man in Summe nicht eine Sekunde Zeit bei Anguela dazu.
    Kurz: Das Leben in Quintatha war dazu da, es zu genießen, und also ein schützens- und erhaltenswertes.
    Woraus folgte: Wer sehenden Auges in eine Gefahr ging, in der er unweigerlich umkommen musste, war kein Held, sondern ein Narr. Oder anders gesagt: Wer sich, seine Bark und seine Mannschaft in den Kampf gegen Rishtyn-Jaffami und damit letztlich in den Selbstmord hetzen wollte, handelte verantwortungslos, ja schlichtweg töricht.
    Der Zwerg hatte dem wenig entgegenzusetzen. Anfangs konnte man ihn kaum hören, so leise nuschelte er vor sich hin, und die meisten Begriffe, die er verwendete - Wörter wie Pararealität, Sub-Raum-Zeit-Falte und Semimanifestation -, gaben sich von selbst der Lächerlichkeit preis.
    Unmut machte sich breit. Die Natter, zum Biss bereit, bleckte bereits die Zähne.
    Gewiss, stotterte der Zwerg, über dessen aschgraues Gesicht der Schweiß in Strömen rann, ungerührt weiter, hatte die Schlürf qualle aus ihrem Blickwinkel Recht, den Grund ihrer Existenz allein darin zu sehen, dass sie dem Flughummer als Nahrung diente. So, wie dem Flughummer nicht vorzuwerfen war, dass er kein Mittel gegen den Krebsenklau wusste, und ebenso wenig dem Krebsenklau, dass er nicht gegen sein Schicksal als Treibschollenfutter aufbegehrte.
    Unzweifelhaft hatte, sagte der Zwerg, wobei in seine Augen ein eisgraues Funkeln trat, jedes dieser Tiere seinen Platz in der Schöpfung.
    Wo aber stand der Barkner? Was machte ihn aus, was hob ihn ab von der Schlürfqualle, dem Flughummer, dem Krebsenklau und der Treibscholle?
    „Dass er die Fähigkeit besitzt, über sich hinauszuwachsen, die Grenzen zu überschreiten, welche die Natur ihm zu setzen versucht!" Der Zwerg beugte sich vor.
    Der Kopf der Natter wich langsam vor ihm zurück.
    „Ein Fisch", schmetterte der Zwerg dem nach Worten ringenden Aufmar entgegen, „folgt seinem Instinkt, und wenn dieser ihm Flucht suggeriert, so schwimmt er davon. Ein Barkner aber, wenn er ein ganzer Barkner ist, überwindet die kreatürliche Angst. Er stemmt sich gegen die Furcht, er geht mit erhobenem Haupt das größte Wagnis ein, weil er weiß, dass erst diese Haltung ihn überhaupt zum Barkner macht. Der Sinn allen Seins, meine Freunde ..." Nun wandte sich der grau glühende Zwerg erstmals direkt an die Zuhörer. „... wird uns einfachen, ordentlichen und anständigen Seeleuten wohl ewig verschlossen bleiben; der Sinn unseres Lebens aber besteht darin, dieses zu riskieren!"
    Die Natter tänzelte in die Mitte des Tisches und darüber hinaus.
    „Wer ist denn", donnerte Bensha der Zwerg in sein Publikum, „dieser Rishtyn-Jaffami? Ein Fisch wie jeder andere auch! Sollen wir uns vor
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