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2118 - Quintatha

Titel: 2118 - Quintatha
Autoren: Unbekannt
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Geschützstellungen, die außerhalb des Kokons lagen, wurden Harpunen abgefeuert, in einem Rhythmus, den Ftniem der Gnadenlose vorgab. Eines der Geschosse, ein mehr als zehn Meter langer Speer mit gewaltigen Widerhaken, durchlöcherte die Schwimmblase des Titans. Dann noch einer und noch einer.
    In diesen Sekunden begann der Todeskampf. Der gewiss hundert Meter messende Fisch verwandelte das Wasser des Ozeans in einen Wirbel aus blutroter Gischt. Mehrmals verfehlte sein Schwanz die SIRIOS nur knapp.
    Der Titan stieg nach oben - „das tun sie immer, wenn sie verwundet sind", sagt Aufmar -, schwamm einen panischen Zickzackkurs, um das zusätzliche Gewicht der Bark loszuwerden, die er an den drei Seilen hinter sich herzog. Das erste riss, dann das zweite. Beide Erschütterungen gingen an die Grenzen der Belastbarkeit sowohl des Schiffes als auch seiner Besatzung.
    Das dritte Seil aber hielt. Wir erreichten die Oberfläche.
    Als ich mich wieder einigermaßen auskannte, öffneten die Matrosen gerade den Kokon. Nach der langen Tauchphase wirkte die Frischluft wie ein Aufputschmittel.
    Die Grätenfeder in meiner Hand sträubt sich niederzuschreiben, was danach geschah.
     
    *
     
    Ich schwöre bei meiner liebsten Tess und allem, was mir sonst noch heilig ist: Nie zuvor in meinem durchaus nicht ereignislosen Leben war ich Zeuge einer ähnlich zügellosen, blanken Aggressivität.
    Die Messerwerfer fielen über den sich im roten Wasser windenden Titan her mit allem, was sie hatten. Sie warfen sich buchstäblich auf ihn, stachen ihn mit Lanzen, Piken, Hellebarden. Mit Schwertern, Beilen, Morgensternen schlugen sie auf ihn ein, ja manche, die in der Ekstase der Jagd gänzlich ohne Waffen über Bord gesprungen waren, rissen mit bloßen Händen Brocken von blaugrünem Fleisch aus seiner Haut.
    Es war ein Massaker, so mitleidlos grausam und brutal, dass ich ernsthaft befürchtete, der Anblick würde mich in den Wahnsinn treiben - und doch vermochte ich meine Augen nicht abzuwenden. Und dann erklang ein ... Laut.
    Er begann offenbar weit unterhalb des Frequenzbereichs, den meine Gehörnerven verarbeiten konnten. Doch spürte ich ihn, subsonisch, als ein Kribbeln, als ein Vibrieren, das die ganze Bark erfasste. Durch Mark und Bein ging mir dieser Ton, lange bevor ich ihn bewusst hörte. Dann schwoll er an, wurde höher und höher, zu einem vielstimmigen Chor, zu einer Fanfare des Schmerzes, gespielt von hundert, vielleicht tausend Kreissägen, steigerte sich zur schrillen, ungläubig zirpenden, ohrenbetäubenden Klage von Millionen und Abermillionen Grillen...
    Der Titan schrie.
    Es war das Weinen eines tödlich verängstigten, fassungslos verwunderten, über hundert Meter großen Kindes.
     
    *
     
    „Es geschieht nur, was geschehen muss."
    Der Kapitän lehnte über mir am Treppengeländer, eine vier Meter lange Harpune lässig unter den Arm geklemmt. War das Melancholie in seiner Stimme oder abgrundtief bitterer Hohn? Sprach er überhaupt zu mir? Oder eher zu sich selbst? Oder zum Titan?
    „Es geschieht nur, was geschehen muss", wiederholte er, ohne mich anzusehen. Dann ging er zur Reling, langsam, fast schlendernd, und sprang mühelos über sie hinweg ins Meer.
    Ich löste mit fliegenden Fingern die Knoten des Seils, das mich an die Stiege gefesselt hatte, und wollte mich dem Kapitän hinterherstürzen, doch Hände wie Schraubstöcke hielten mich zurück.
    „Du kannst nichts ändern", sagte Aufmar. „Der Titan stirbt, Bensha. Von dem Moment an, an dem seine Schwimmblase platzte, war er dem Tod geweiht. Aber er stirbt sehr langsam. Er wird noch viele Tage sterben. Was wir tun, was Shirka tut, dient nur dazu, ihn so weit zu schwächen, dass wir ihn relativ gefahrlos nach Hellmock schleppen können."
    Der Kapitän hatte währenddessen mit kräftigen Schwimmzügen den schrundigen, blaugrün blutenden Leib des Titans erreicht. Er zog sich an Falten und Borsten hoch, bis er die Rückenflosse ergreifen konnte, und arbeitete sich dann an ihr entlang zum Kopf vor. Mehrmals verlor er um ein Haar das Gleichgewicht, doch seine Stiefel schienen an der Haut des Leviathans zu kleben.
    „Magnetsohlen", erläuterte Aufmar, der meinem Blick gefolgt war, bereitwillig.
    Obwohl mein Gehirn sich weigerte, einem dermaßen absurden Gedanken nachzugehen, fragte ich: „Magnete? Du willst damit sagen, der Titan sei aus ...?"
    „Natürlich", sagte Aufmar. „Eisen und Blut - daraus besteht die Welt."
    Shirka balancierte auf der buckligen Stirn des
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