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21 - Stille Wasser

21 - Stille Wasser

Titel: 21 - Stille Wasser
Autoren: Laura A. Gilman , Josepha Sherman
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Buffy ihre Hand um das undefinierbare Ding und beeilte sich, wieder an die Oberfläche zu gelangen. Selbst die Lungen einer Jägerin benötigten ab und an etwas Sauerstoff.
    Sie tauchte auf und blickte direkt in die grinsende Fratze eines Vampirs. Im gleichen Moment holte sie auch schon mit dem Gegenstand aus, den sie aus dem Meer gefischt hatte und bei dem es sich, wie sie rasch erkannte, um ein Stück Treibholz handelte, das etwa die Länge ihrer Hand besaß, rau und zersplittert war und leider völlig voll gesogen mit Wasser. Das eine Ende sah aus, als hätte jemand daran herumgeschnitzt oder, besser gesagt, herumgekaut, und verjüngte sich zu einer halbwegs brauchbaren Spitze, beinahe wie die eines Bleistifts.
    »Hab dich!«, keuchte Buffy befriedigt und rammte dem Vampir mit allerletzter Kraft das Holz in die Brust.
    Staub regnete auf die wogende See herab und verteilte sich in bizarren Mustern, doch Buffy blieb wenig Zeit, diesen Anblick zu genießen. Zwei unerbittliche schuppenbewehrte Klauen schlossen sich um ihre Knöchel und rissen sie zurück unter die Wasseroberfläche.
    Zurück in ihren Alptraum...
    Selbst an einem sonnigen Nachmittag hätten die diffusen Lichtverhältnisse, die unter Wasser herrschten, immer noch etwas Bedrückendes gehabt. Doch zu einer Tageszeit wie dieser, mit einer Wolkendecke am Himmel, die jeden noch so zögerlichen ersten Lichtstrahl bereits im Keim erstickte, bekam die dort regierende Finsternis etwas nachgerade Grauen erregendes. Und es war nicht eben hilfreich, dass ihr Verstand sogleich die assoziative Verbindung herstellte und die Szene mit der Filmmusik zum Weißen Hai unterlegte. Buffy begann wie wild mit den Beinen zu strampeln und schaffte es tatsächlich, für einen kurzen Augenblick wieder frei zu kommen. Sie tauchte auf und rang verzweifelt nach Luft. Diese ständige Absauferei muss ein Ende haben, dachte sie wütend.
    Sie vernahm eine Art seltsamen, heulenden Singsang, fast wie die erwachsenere Version von Ariels piepsigem Gejaule, und mit einem Male wurde ihr klar, dass das, was ihr eben geholfen hatte, ein Selkie gewesen war. Ariel? Oder vielleicht ihre überfälligen Eltern? Völlig egal. Neuen Mut schöpfend, schrie Buffy heraus: »Helft mir, unter Wasser!«
    Erneut zerrten starke schuppige Klauen sie hinab. Als sie unter einem ihrer Füße das Gesicht eines Merrows spürte, stieß sie sich mit aller Gewalt ab und kam japsend wieder an die Oberfläche. »Wir versuchen zu helfen, aber ihr seid genauso hier zu Hause wie sie!«, rief sie, in der Hoffnung, dass die Selkies sich noch in der Nähe aufhielten und sie hören konnten.
    Nichts. Nada. Und wieder ging es abwärts. So viel zu guten Vorsätzen. Das Brennen in ihren gemarterten Lungen wurde so unerträglich, dass sie den Schmerz am liebsten laut hinausgebrüllt hätte – wenn das nicht gleichbedeutend mit Ertrinken gewesen wäre.
    Ihr Alptraum wurde Wirklichkeit...
    Ein letztes Aufbäumen... ein letzter kostbarer Moment an der Oberfläche, ein allerletzter Atemzug wundervoller, köstlicher Luft –
    Und das seltsame Heulen ging über in eine eindringliche, lockende Melodie.
    Eindringlich war das richtige Wort. Buffy spürte die Energie, die sich beinahe wie Elektrizität im Wasser ausbreitete und ein Kribbeln auf ihrer Haut erzeugte. Die verbliebenen Merrows ließen schlagartig von ihr ab, folgten dem zunehmend höhnischer werdenden Geheule wie einem Ruf, der sie daran erinnerte, dass es in tieferen Gewässern leichtere Beute zu jagen gab, bekömmlichere Nahrung, die nicht wie wild um sich trat oder einen aufzuspießen und zu töten versuchte. Zurück blieb Buffy, die im tiefen Wasser mit Armen und Beinen strampelte und gierig ihre gequälten Lungen mit herrlicher, süßer Atemluft füllte.
    Okay. Bloß nicht schlapp machen. Nicht jetzt.
    Sie zwang sich, ruhiger zu atmen und ihre auf akuten Sauerstoffmangel und Gefahr eingestellten Körperfunktionen wieder auf ein normales Level herunterzufahren.
    Diese Seehund-Typen kümmern sich um die Merrows und locken sie auf hohe See hinaus, dachte Buffy. Wo sie auch hingehören. Also eine gute Sache. In der Zwischenzeit sollte ich mich, Wasser hin oder her, ebenfalls ein wenig nützlich machen...
    He. Treibgut. Sie fischte sich aus den auf- und niederdümpelnden Hölzern einen pflockartiges Gebilde heraus und schwamm Richtung Ufer, bereit, sich auch noch die letzten der zweifellos mit reichlich Meerwasser abgefüllten Vampire vorzuknöpfen. Keine große Herausforderung.
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