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2092 - Der Ausgestoßene

Titel: 2092 - Der Ausgestoßene
Autoren: Unbekannt
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waschbrettartigen Rhythmusinstrument den Klang einer sphärischen Harfe zu entlocken. Die Schwingungen des 9-Imbariems rissen ihn mit.
    Ab dem sechzigsten Takt kam zusätzlich der 30-Hertz-Unterton zum Tragen. Er rührte jeden an, ohne daß er sich dessen bewußt war.
    Geppenhold fing vor lauter Ergriffenheit an zu schniefen. Seine Augen blickten fahrig umher, in zwei Richtungen gleichzeitig.
    Die Sinfonie erreichte ihren höchsten Stand. Wellenförmig rollte die Musik den Hügel hinab über das Land. Sie riß alle mit, die sich in Hörweite aufhielten. Der Hohe Hirte schrumpfte in seinem Sessel zu einem wimmernden Bündel. Er bedeckte die Augen mit den Händen und entblößte dabei die Achselhöhlen, ohne es zu merken.
    Niemand außer Santade bemerkte seine Schande, auch nicht Junker, der nun vollständig in der Musik und ihrem Rhythmus aufging. Sein Verstand schaltete aus. Er ließ sich von den Schwingungen tragen. Und immer dann, wenn er es tat, spielte er meisterlich.
    Die beiden Instrumente, 9-Imbariem und Kabremm, verschmolzen zu einer Einheit mit dem Unterschied, daß es sich nicht um eine elektronisch hergestellte Harmonie, sondern um die zweier Holzinstrumente handelte, gewachsen in den Wäldern, die die Jäger in diesen Stunden durchkämmten.
    Takt neunzig! Fast hätte Santade von Sonnbajir ihren Einsatz verpaßt.
    Sie neigte den Kopf nach vorn, spitzte den Mund extrem weit, damit die spitzen Zähne ihr nicht im Weg standen, und blies auf dem unteren Orawal den Kanon zur orgelnden Melodie. Den kleinen Pfeifen ließ sich keine übermäßig laute Musik entlocken. Aber die Schwingungen der Klangkörper und Schallräume umhüllten sie und trugen sie mit sich über das Land.
    Bei Takt hundertzwanzig mündete die Musik zu Ehren der Jäger in eine vorläufige Endlosschleife.
    Nicht, daß sie sich wiederholt hätte. Das war einer Musikantin von den Fähigkeiten Santades unwürdig. Sie spielten die zweite, dritte und vierte Variation.
    Von den grünen Mützen war nur noch die Hälfte zu sehen. Die anderen befanden sich inzwischen außerhalb des Sichtbereichs, irgendwo in den Wäldern hinter der Ebene.
    Noch ,hatten sie den Wilderer nicht aufgestöbert. Das gelang ihnen erst am Nachmittag bei der achtunddreißigsten Variation. Die grünen Mützen verschwanden übergangslos, heruntergerissen von ihren Trägern und im Jubel der Begeisterung.
    Santade von Sonnbajir akzentuierte auf dem unteren Orawal ein Tremolo der Freude.
    Der Hohe Hirte hing bewusstlos in seinem Sessel, geschafft und betäubt von der grandiosen Musik, die er in seiner Unmusikalität nicht ertrug.
    Die ersten Boten keuchten den Hügel herauf. „Sie haben ihn, sie bringen ihn! Der Wilderer ist entdeckt!"
    Seit Monden raubte er im ganzen Land von Dremm und Drau die Würmerfallen aus. So manche Familie brachte er durch sein Tun an den Rand des Ruins und des Verhungerns. Grund genug, ihm endlich das Handwerk zu legen.
    Die Boten entdeckten den bewußtlosen Hirten und fingen an, sein Gesicht zu tätscheln. Nach einer Weile bewegte er sich mühselig, schrillte ein paar Befehle und richtete sich schließlich auf. Ungeachtet der Tatsache, daß die Schallräume seine Worte über das Land mitrissen, schnauzte er die Boten an und beschimpfte sie auf übelste Weise.
    Santade gab ihnen mit einer Kopfbewegung zu verstehen, daß sie den Störer gefälligst entfernen sollten. Sie packten ihn mitsamt seinem Sessel und trugen ihn den Hügel hinab in den Schallschatten, wo er keinen Schaden anrichten konnte.
    Nach der sechzigsten Variation brachten die Jäger den Würmerdieb. Mehr als ein Dutzend Speere hatten seinen Körper durchbohrt. Das Blut war schon eingetrocknet, die Leichenstarre erleichterte den Transport.
    Santade von Sonnbajir verstärkte das Tremolo zu einem Trillern, schwächte es nach zwanzig Takten ab und ließ es bei leiser werdender Musik nach und nach ausklingen. Mit ein paar Akkorden bedächtigen Zauderns führte sie die Variation zum Abschluß.
    Das 9-Imbariem schwieg, das Kabremm ebenfalls. Die letzten Akkorde rollten den Hügel hinab über das Land. Die Musikerin lauschte ihnen nach, wie sie sich entfernten. Weit hinter den Wäldern trafen sie auf ein Echo der vierzigsten Variation.
    Santade sprang vom Steg herunter und eilte zu Junker hinüber. Ihr Umgang wehte nachtblau um ihren schlanken, kleinen Körper.
    „Hör nur, sie spielen unser Lied!" rief sie begeistert. „Es ist meine Komposition. Sie eilt um die Welt!"
    Er blickte durch sie
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