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207 - Weg eines Gottes

207 - Weg eines Gottes

Titel: 207 - Weg eines Gottes
Autoren: Christian Schwarz
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zum Schmelzen des Eisens in die Öfen geblasen wurde.
    Uumu ging über einen schmalen, in die Lava gehauenen Weg zur Schleuse hinüber. Wie ein mächtiges Geschwür ragte sie aus dem Rücken Papa Lavas, mehr als vier Körperlängen hoch. Er kniff die Augen zusammen und verharrte kurz. War da nicht eben ein Spritzer Lava über die Mauerkrone geschossen? Nein, das konnte nicht sein. Die Lava befand sich mehr als acht Mannslängen unter der Mauerkrone.
    Ich werde langsam doch alt…, ging es Uumu durch den Kopf. Aber warum ist es hier plötzlich so furchtbar heiß? Über eine schmale Treppe stieg der Oberste Schleusenwärter auf den Rand der mächtigen Mauern, die die Schleuse und den Kleinen Schlund Papa Lavas verbanden und das Lava-Becken bildeten. Dort begab er sich in das Kontrollhäuschen, um sich nicht den giftigen Dämpfen auszusetzen.
    Uumu erschrak. Sein Herz pochte plötzlich hoch oben im Hals. Er hatte sich nicht getäuscht! Beim letzten Kontrollgang vor einer halben Stunde war noch alles in Ordnung gewesen. Jetzt stand die Lava schon fast oben am Rand! Sie schwappte an den Mauern empor, blubberte, schmatzte und wisperte geheimnisvoll. Uumu glaubte einen Moment lang, Papa Lava stöhnen zu hören. Immer wieder schossen jetzt Spritzer über den Rand. Es zischte, als sie auf dem kälteren Boden auftrafen und verdampften. Unaufhörlich quoll der gelbrote Strom aus dem Kleinen Schlund. Uumu konnte zusehen, wie sich die Beinlänge, die noch bis zur Mauerkrone Platz war, in rasendem Tempo füllte. Als würde jemand Wasser in ein Tongefäß schütten.
    Der Oberste Schleusenwärter stand starr. Seine tiefschwarze Haut konnte die ungesunde Blässe, die seinen gesamten Körper überzog, nicht kaschieren. Mit weit aufgerissenen Augen stierte er in die brodelnde Hölle. Seine Blicke wanderten unstet, seine Knie zitterten so stark, dass sie gegeneinander schlugen.
    Noch eine Minute, höchstens zwei, dann lief die Lava über den Beckenrand, verschlang zuerst ihn, flutete dann den Hang hinunter und vernichtete ganz Kiegal mit all seinen Bewohnern! Auch die sensiblen Ringleitungen der Hochöfen würden zu viel Lava abbekommen und explodieren. Nichts als Asche würde von der Hochkultur der Huutsi bleiben.
    Die Sicherungskanäle!
    Er musste die Schleusen öffnen!
    Ein tierischer Laut stieg aus Uumus Kehle. Er drehte sich um, hastete aus dem Kontrollhäuschen und fiel fast die Treppen hinunter. Knapp neben ihm traf ein Lavaspritzer auf. Er sprang erschrocken zur Seite. Trotzdem erwischte ihn ein weiterer Tropfen an der Schulter. Uumu brüllte vor Schmerz, ließ sich aber nicht beirren. Die Todesangst trieb ihn voran. Er hetzte zum unteren Schleusenhaus, das die mächtigen Mechaniken vor Wind und Wetter schützte, rannte über die schmale Brücke von Sicherungskanal eins. Wimmernd kletterte er hinein, hängte sich an den armdicken Hebel von Schleuse drei und zerrte wie ein Irrer daran, obwohl er genau wusste, dass mindestens zehn Mann nötig waren, um ihn zu bewegen.
    Zehn Mann, die laut Befehl des Königs ständig hier oben zu sein hatten, die aber im Moment Banyaars Otowajii bauten.
    Tränen liefen über Uumus Wangen, während die Adern an seinem Hals vor Anstrengung hervortraten. Längst war sein sonst so klarer Verstand ausgeschaltet. Diffuse Bilder und Vorstellungen fluteten sein Gehirn. Der Fluchtinstinkt wurde übermächtig, erstickte den letzten Rest von Pflichtbewusstsein und Vernunft, die noch in seinem Denken waren. Anstatt im sicheren, da höher gelegenen Schleusenhaus zu bleiben, verließ er es und rannte schreiend den Berg hinunter.
    In diesem Moment schwappte die Lava über den Rand des Beckens. Ein kleiner Schwall zuerst, dann ein größerer. Schließlich kam eine ganze Wand. Der gelbrote Strom verfolgte Uumu, nahm Fahrt auf, kam schnell näher.
    Der Oberste Schleusenmeister keuchte. Er sah über die Schulter nach hinten, geriet ins Stolpern und schlug der Länge nach hin. Ein Stein bohrte sich in seine Schulter. Er paralysierte den ganzen Oberkörper. Einen Fußbreit neben ihm leckte die erste Lava-Zunge vorbei. Es dampfte und zischte, wurde unerträglich heiß. Noch einmal kam Leben in Uumu. Trotz fürchterlicher Schmerzen rappelte er sich wieder hoch. Papa Lava verschonte ihn. Er durfte leben! Weg, weg…
    Er sah nach oben. Der Lava-Strom trennte sich plötzlich, bildete einen zweiten Pfad.
    »Aaaaaaaaaah!«
    Die Lava verschluckte den Mann, der sie mit grotesk verdrehten, ausgestreckten Armen abwehren
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