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2063 - Zikanders Körper

Titel: 2063 - Zikanders Körper
Autoren: Unbekannt
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Glieder verformten sich, ließen Wesen, die einst majestätisch dahingeschritten waren, zu humpelnden, kriechenden Fleischbergen werden. Sig-Zikander sah einen Omraben, der sich auf ihn zuwälzte. Ein verkümmerter Arm war unnatürlich wie unter Knochenschwund an den Körper gekrümmt, der Körper selbst eine aufgequollene Masse, der Schädel ohne Gesicht, nur aus Wucherungen bestehend, und aus den verquollenen Augenschlitzen floss Breiiges; das Gewand beulte sich über der Brust, und er versuchte, auf einem krummen Bein zu gehen, während er das andere wie ein eiterndes Anhängsel nach sich zog ...
    Sig-Zikander dachte: Wird das auch mir passieren, wird mein schöner, wunderbarer Körper sich ebenfalls zu einem formlosen Klumpen verformen?
    Und er hätte weinen können. Kaum eine normale Gestalt umlagerte noch den Vorplatz zum Diamantportal. Und mit jedem Hiddyn wurden es mehr.
    Es grenzte geradezu an ein Wunder, dass er und Romild Viscosimo inmitten einer Armee von Schreckensgestalten noch makellos geblieben waren.
    Und es keimte die unsinnige Hoffnung auf: Sind wir zwei die Ausnahme von der Regel und immun gegen die Seuche?
    Sig-Zikander wollte fort von hier, weg von diesem Ort des Grauens, der nun zu einer einzigen weiten zuckenden Fleischmasse geworden war, in der man keine Individuen mehr unterscheiden konnte, die aus Zehntausenden Kehlen ihre Qualen hinaus schrien, ohne dadurch Linderung zu erfahren.
    Dies war das besonders Grausame, das Heimtückische an der Seuche: Sie tötete nicht schmerzlos, sie sorgte für eine lange Todesphase. Es war, als würde ein Sturm der Verdammnis über den Planeten hinwegfegen und jedes Leben mit seiner zerstörerischen Saat infizieren. Es war der Atem des Bösen, das sich am auftürmenden Leid ergötzte.
    Sig-Zikander zerrte Romild Viscosimo mit sich, um irgendwohin zu entfliehen, nur weg von dieser Stätte des maßlosen Grauens. Sie kamen an einem riesigen Holowürfel vorbei, der mehrfach unterteilt war und den Verkehr an den verschiedenen Portalen dokumentierte. Die Wesen drängten in langen, dichten Reihen durch die flimmernden Felder der Portale - aber sie traten durch die andere Seite wieder hinaus. Sig-Zikander wurde immer schneller, er verfiel in Laufschritt, als könne er vor der Seuche davonlaufen. Da entriss Romild ihm den Tentakel, an dem er ihn mit sich zerrte. Der Puraner hielt erschöpft an und meinte keuchend: „Was soll das, Sig? Wir können unserem Schicksal nicht davonlaufen ..."
    Und in dem Moment, da er das sagte, fiel ihm das Beißwerkzeug aus dem Mund, und sein violettes Blut quoll heraus. „Romild!" schrie Sig-Zikander entsetzt und warf sich auf seinen Freund. Er konnte dessen Sturz gerade noch auffangen, als die beulenartig wuchernden Beintentakel ihm den Dienst versagten Sig-Zikander drückte das ihm so lieb gewordene Wesen fest an sich, ungeachtet dessen dass er sich mit seinem Blut besudelte und sich auf diese Weise auch mit der Seuche infizieren konnte. Er sank mit Romild Viscosimo in den Armen zu Boden, drückte ihn weinend fest an sich und spürte die Zuckungen des aufquellenden Molluskenkörpers wie das Rasen seines eigenen Herzens.
    Romild Viscosimo wimmerte leidend vor sich hin, aus einem Mund, der ein großes blutiges Loch war und in dem irgendetwas pulsierte, das sich seinen Weg ins Freie bahnen wollte...
    Sig-Zikander erfasste ein Schüttelfrost, und da wusste er, dass die Seuche auch ihn erreicht hatte. Er ließ den todgeweihten Puraner los. Er wollte nur weg, wollte nicht, dass der Freund ihn sah, wenn er sich veränderte, sich zu einem gestaltlosen Klumpen verformte. Romild Viscosimo sollte ihn in guter Erinnerung behalten, sollte sich das Bild seines schönen Körpers bewahren. Und Sig-Zikander schrie, während er lief, er schrie, bevor er Schmerzen verspürte. Er entließ auf diese Weise seine Wut über ein grausames Schicksal, das ihm seinen größten Triumph nicht gegönnt hatte und das nun daranging, ihm das Liebste zu nehmen, was er im Land Dommrath besessen hatte - seinen schönen, makellosen Körper.
    Sig-Zikander wusste nicht, wie weit er gekommen war, als ihm die Beine den Dienst versagten und ein brennender Schmerz seinen Körper durchraste. Er wusste auch nicht, wo er war oder in welcher Gesellschaft er sich befand - wie viele Leidensgenossen um ihn waren. Er hatte nichts von seiner Umgebung wahrgenommen. Er wusste nur, dass das Endstadium der Seuche eingesetzt hatte und ihn langsam und schmerzhaft in den Zustand des Todes
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