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206 - Unterirdisch

206 - Unterirdisch

Titel: 206 - Unterirdisch
Autoren: Mia Zorn und Jo Zybell
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zwischen den Ohren. Doch Chira gab keine Ruhe, stieß ihn wieder und wieder an, und jetzt knurrte sie auch.
    Plötzlich ließ sie von ihm ab und spitzte die Ohren. Rulfan setzte sich auf und lauschte atemlos. Etwas surrte durch die Luft – drei Pfeile und ein Speer schlugen fünfzehn oder zwanzig Meter neben der erkalteten Feuerstelle im Wasser oder in der Uferböschung ein.
    Auch Matt schreckte hoch. »Da ist jemand«, flüsterte Rulfan. Die Freunde griffen ihre Waffen, standen auf und huschten ins Unterholz des nahen Waldrandes. Dort hatten sie den Rouler geparkt und mit Geäst getarnt. Neben ihm gingen sie in Deckung. Rulfan hielt seinen Säbel, Matt Drax brachte den Laserblaster in Anschlag. Ein lang gezogener Schrei ertönte aus dem nächtlichen Urwald – der Schrei eines Menschen.
    ***
    Barah beobachtete ihre Jägerinnen in den Bäumen. Die Körper der Frauen waren kaum noch zu unterscheiden von Zweigen und Laub. Ihre Haut hatte die Farbe der dunklen Baumstämme, und ihre Lederkleidung war mit Blättern bespickt. Regungslos lagen sie in den Ästen, die Pfeile in ihren Bögen zum Abschuss bereit. Sie warteten nur noch auf den Befehl ihrer Anführerin.
    Aber Barah zögerte noch. Etwas stimmte nicht. Die Pavan-Affen, die eben noch kreischend in den Wipfeln der Akazien umher gestoben waren, verhielten sich plötzlich merkwürdig still. Wie haarige Riesenfrüchte hingen sie in den Baumkronen und glotzten herab zu ihren Häschern. Auch die Vögel hatten ihren Gesang eingestellt.
    Barah lauschte angestrengt. Kein Laut drang mehr aus dem Dschungel. Totenstille! Die Welt schien den Atem anzuhalten.
    Eine beklemmende Ahnung lähmte den Körper der Jägerin.
    Konnte es sein, dass…
    Noch bevor Barah ihren Gedanken zu Ende gebracht hatte, machte ein dunkles Grollen unter ihren Füßen ihre Ahnung zur schrecklichen Gewissheit: ein Beben!
    Das Grollen donnerte aus der Tiefe der Erde. Eine unsichtbare Hand schien Bäume und Sträucher zu schütteln.
    Akazienriesen schwankten. Die Äste ihrer mächtigen Kronen verschlangen sich ineinander, als ob sie sich gegenseitig festhalten wollten. Doch vergeblich! Wie eine Gebärende in den Wehen, wand sich die Erde. Unterirdische Wellen durchpflügten den Boden. Wurzeln brachen heraus und die Baumstämme kippten und krachten übereinander. Ein Tosen erfüllte die Luft. Dazwischen das Geschrei von Menschen und fliehenden Tieren.
    Barah schrie nicht. Sie versuchte die Stelle zu erreichen, an der sie eben noch einige der Enkaarifrauen gesehen hatte. Aber sie kam kaum vom Fleck. Es war, als balancierte sie auf dem Rücken eines wild gewordenen Wakudastiers. Immer wieder fiel sie hin. Kaum war sie auf die Beine gekommen, riss sie die nächste Bodenwelle wieder um.
    Jetzt kroch sie auf allen Vieren vorwärts. Neben ihr rammte sich ein gewaltiger Ast in die Erde. Seine Zweige durchschnitten Wams und Haut der Jägerin. Barah spürte nichts davon. Ihre Sinne waren nur auf die beiden Frauen gerichtet, die sie einen Steinwurf entfernt zwischen Baumtrümmern entdeckt hatte: Zgeweni und Gjorgis.
    Beide schienen unter Schock zu stehen. Ihre Augen starrten ins Leere und sie zitterten an allen Gliedern. Zgeweni hatte eine klaffende Wunde an der Stirn. Helles Blut floss über ihr Gesicht. Gjorgis’ rotes Stirntuch hing lose in ihren krausen Locken. Ihr linker Arm baumelte verdreht zur Seite.
    Anscheinend war er gebrochen. Egal, dachte Barah, Hauptsache, sie leben! »Ich komme!«, rief sie ihnen zu.
    Die Frauen hoben die Köpfe. Verwirrt schauten sie ihrer Anführerin entgegen. Sie sahen eine schmale Gestalt in zerrissenem Wams, Kriegsbemalung im Gesicht und unzählige Zöpfe, die wie Federn vom Kopf hingen. Erst als Zgeweni Barahs Speer mit der gezackten Kupferspitze sah, glomm ein Funke des Erkennens in ihren Augen auf. Aber er verschwand jäh, als die nächste Welle des Bebens diesem Teil des Dschungels den Todesstoß versetzte.
    Brüllend öffnete sich die Erde. Ein Spalt so breit wie ein Bach durchbrach den Wald direkt vor Barahs Füßen. Sie rang um ihr Gleichgewicht, sah noch die beiden Frauen in den Erdschlund stürzen, dann fiel sie nach hinten. Der bebende Boden warf ihren Körper hin und her. Das Knirschen und Krachen von rutschenden Bäumen, Sträuchern und Erdreich dröhnten in Barahs Ohren. Plötzliche Windböen bliesen ihr Staub und Zweige ins Gesicht. Nur langsam verebbte der Lärm in ein fernes Prasseln. Es klang wie Geröll, das einen Felshang herunter rutschte. Schließlich wurde
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