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204 - An Afras Ufern

204 - An Afras Ufern

Titel: 204 - An Afras Ufern
Autoren: Mia Zorn
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an. »Wir sehen uns in Kisaayo!«
    »Warte!«, rief Nabende. Sein Kamshaa grunzte und spitzte die Ohren. »Dein Vater wird mich umbringen, wenn er erfährt, dass du bei mir bist!«
    »Mein Vater wird gar nicht bemerken, dass ich nicht mehr im Lager bin! Ich habe die Frauen angewiesen, meine Abwesenheit zu entschuldigen.« Phillis’ grüne Augen lachten.
    »Ich bin für einige Tage unpässlich«, erklärte sie vergnügt.
    Nabende war von diesem Trick zwar nicht so begeistert wie sie, aber vermutlich würde er klappen. Er biss die Zähne zusammen und erklärte sich einverstanden, die Reise friedlich fortzusetzen. Obwohl er innerlich immer noch kochte.
    Die zukünftige Stammesführerin hatte heute vor Sonnenaufgang an seinem Bett gestanden: »Du nimmst mich mit nach Kisaayo!«
    Er hatte nur gelacht. Daraufhin hatte sie ihren verschleierten Kopf geschüttelt und mit ruhiger Stimme erwidert: »Oder ich werde meinen Vater wissen lassen, dass du es mit seiner jüngsten Frau treibst!«
    Das Lachen war ihm im Halse stecken geblieben. Die Preisgabe dieses Geheimnisses könnte ihn den Kopf kosten! Er war Phillis ausgeliefert! Das machte ihn wütend.
    Immer noch hatte er große Lust, Mulindwas Tochter eine anständige Abreibung zu verpassen. Aber vermutlich würde er dabei auch noch den Kürzeren ziehen. Wie auch immer: Auf keinen Fall würde er zulassen, dass Phillis auf eigene Faust weiter zog. Nicht auszudenken, was los sein würde, wenn ihr etwas zustieß. Mulindwa würde ihn vierteilen lassen.
    Lange Zeit ritten sie schweigend nebeneinander her.
    Nabende konzentrierte sich auf die Spuren einer Echse. Er kannte den Weg durch die Salzwüste zur Stadt wie seine Hosentasche. Aber Wind und Wetter änderten ständig die Landschaft: Wo gestern noch ein Hügel war, konnte heute eine Ebene aus Sand sein. Jeder Dankar lernte schon als Kind, sich an Sonne, Sternen und den Spuren der Tiere zu orientieren. Es gab wenige Wasserlöcher. Aber unter dem Sand fanden Echsen, Schlangen, Scorpocs und Rennmäuse feuchte Wasseradern, die selten ihre Richtung änderten. Bei Tage orientierte sich Nabende fast ausschließlich an den Tierspuren.
    So lenkte er sein Kamshaa entlang der geriffelten Linien, die die Krallen der Echse hinterlassen hatten. »Was willst du eigentlich in Kisaayo?«, fragte er seine Begleiterin betont beiläufig.
    »Ich muss mit meinem Onkel sprechen«, antwortete sie knapp. Dabei tätschelte sie ihrer Kamshaastute den Hals.
    Am Ton ihrer Stimme erkannte Nabende, dass er nicht mehr von ihr erfahren würde. Er hätte wetten mögen, es ging um ihren Ziegenhirten, den sie vor einem Sommer aus dem Lager geschafft hatte. Wartete er in der Stadt auf sie?
    Plötzlich kam ihm ein schrecklicher Gedanke: Wollte sie womöglich mit dem Kerl durchbrennen? Wie sollte er das Mulindwa erklären? Nabende seufzte. Er sah düstere Zeiten auf sich zukommen.
    Aber was tatsächlich auf ihn zukam, war schwarz wie die Nacht: Eine Wolke groß wie ein Berg erhob sich am Horizont.
    Wie brausendes Wasser jagte sie heran.
    »Ein Wüstensturm!«, flüsterte Phillis.
    ***
    Als Erster Offizier hatte Matt Sparrow, alias Matthew Drax, wesentlich mehr zu tun als in seiner bisherigen Betätigung als Kapitän Haggards Leibwächter: In unzähligen Kontrollgängen überprüfte er, ob jeder der Männer auf seinem Posten war. Die neuen Matrosen, die bei Madagaskar an Bord gekommen waren, forderten die meiste Aufmerksamkeit. Sie mussten nicht nur in ihre Tätigkeiten eingewiesen, sondern auch beaufsichtigt werden. Besonders Kaleb, ein junger Bursche mit bronzen schimmernder Haut, Wollmütze und blauem Overall, und Makoona, ein wortkarger Kenyaaner in Matts Alter, dem der rechte Daumen beim Ankern abhanden gekommen war. Die beiden musste Matt ständig im Auge behalten. Sie nutzten jede Gelegenheit, um sich vor ihren Aufgaben zu drücken, spielten dann lieber Karten oder bedienten sich am Wein des Kapitäns.
    Auch heute musste er nach den beiden suchen. Das Großtop sollte eingeholt werden. Kaleb und Makoona fehlten, wie meist!
    Wütend trabte Matt über das Deck. Er kam an Ohnzung vorbei, der auf einem kleinen Fass saß und der Reling einen neuen Anstrich verpasste. Als er Matt kommen sah, sprang er von seinem Hocker und salutierte zackig. Dabei schenkte er dem Ersten Offizier sein strahlendstes Lächeln.
    Matt grinste. Es war ein Spiel zwischen ihm und dem Stummen. Seit Ohnzung mitgekriegt hatte, dass Matt seine Position nur halb so ernst nahm wie Kapitän Haggard,
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