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2012 - Folge 1 - Botschaft aus Stein

2012 - Folge 1 - Botschaft aus Stein

Titel: 2012 - Folge 1 - Botschaft aus Stein
Autoren: Bastei
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entgegen.
    »Wirklich Chichen Itza?«, murmelte Tom Ericson. »Oder eine noch unentdeckte Pyramide? Womöglich hier auf den Marquesas?«
    Der Tote antwortete nicht.
    Tom hatte es sich bequem gemacht, so gut es eben ging. Er lehnte mit dem Rücken am Fels und hatte die Beine leicht angewinkelt. Das Notizbuch lehnte an seinen Oberschenkeln, mit der rechten Hand stützte er es ab, in der Linken hielt er nach wie vor die Lampe und leuchtete auf die verdreckten Seiten.
    Den Namen auf dem Einband der Kladde glaubte er entziffert zu haben: S. Müller. Ein typisch deutscher und alles andere als seltener Nachname; hoffnungslos, ihn damit ermitteln zu wollen. Darunter eine Zahl: 1996. Vermutlich das Jahr, in dem der Mann ums Leben gekommen war.
    Einige Zahlenkolonnen, einfach neben- und untereinander geschrieben, weckten Toms Interesse. Es schienen Koordinaten zu sein. Mehrmals stand die Zahl 139 da, an verschiedenen Positionen. Ihr verdankte der Archäologe letztlich, dass er verhältnismäßig schnell durchschaute, nach welchem System die Koordinatensätze auseinandergerissen und neu notiert worden waren. Eines der Ergebnisse lautete 9-45-139-0. Eine Kontrolle war Tom nicht sofort möglich, weil sein Satellitentelefon - ein Thuraya SG 2520 mit Kamerafunktion, das auf den ersten Blick wie ein großes Handy mit Stummelantenne wirkte - in der Höhle keinen Empfang hatte. Aus dem Gedächtnis heraus glaubte er aber zu wissen, dass 9°45' Süd und 139°0' West die Positionsangabe für Hiva Oa war.
    Wenn das stimmte, lagen zwei der anderen Koordinaten zweifelsfrei im Inselinnern.
    »Du hast etwas gefunden und musstest deshalb sterben«, murmelte Ericson im Monolog mit dem Toten. »So ist es doch, nicht wahr?«
    Mittlerweile hatte es aufgehört zu regnen. Tom verließ die Höhle. Er ignorierte die Nässe, die von den Bäumen abtropfte. Immer noch stand der Schlamm zentimeterhoch und viele kleine Rinnsale plätscherten den Hang herab.
    Nebel umwogte die Baumkronen. Nach der Hitze des Tages lastete nun der Dunst über den Tälern. Die Sicht reichte keine hundert Meter weit. Vielfältige Vogelstimmen durchdrangen den Nebel.
    Und plötzlich auch Motorendröhnen. Eine Verkehrsmaschine, die möglicherweise schon sehr tief flog. Tom hatte jedenfalls den Eindruck, dass sie jeden Moment aus dem Dunst hervorbrechen und eine breite Schneise in den Dschungel schlagen würde. Aber nichts dergleichen geschah, das dumpfe Dröhnen entfernte sich. In der Gegenrichtung riss der Dunst auf. Dort schimmerte der Nebel in düsteren Rottönen. Die Sonne sank dem Meer entgegen, bald würde die Nacht hereinbrechen. Tom zog aber schon nicht mehr in Erwägung, den Rückweg anzutreten. Weniger, weil er es ohnehin nicht schaffen konnte, sondern weit mehr wegen der Koordinaten. Er wollte wissen, was es dort zu finden gab.
    Zehn Minuten später wusste er, dass seine Vermutung richtig gewesen war: Beide Koordinatensätze markierten Positionen auf Hiva Oa. Von der Höhle aus nach Nordost, ungefähr drei Kilometer.
    Nachdem das geklärt war, schickte er die Fotos aus der Höhle an seine Mailadresse. Diese Art der Sicherung hatte er sich angewöhnt.
    Das Rot des beginnenden Sonnenuntergangs war inzwischen verwischt, der Nebel hatte die Lücken wieder geschlossen. Es wurde merklich düsterer.
    Tom wählte die gespeicherte Nummer von Pierre Leroy. Rund zwanzig Jahre war es nun schon her, dass sie einander zum ersten Mal begegnet waren. Pierre war heute noch so quirlig wie damals, ein Feinschmecker und Frauenheld gleichermaßen. Pierre war derjenige, der ihm den Gauguin-Auftrag der Louvre-Direktion vermittelt hatte. Deshalb war es nur fair, ihn zu informieren.
    »C'est la vie.« Ericson lächelte, als er in Gedanken Pierres Stimme hörte. Das war die Lieblingsentschuldigung des Mannes, der so ziemlich alle Merkmale des typischen Franzosen in sich vereinte.
    Wie spät war es jetzt in Europa? Pierre saß entweder schon bei einem ausgiebigen Frühstück, oder er litt noch unter den Folgen einer wilden Nacht. Jedenfalls meldete er sich nicht.
    Tom Ericson verzichtete darauf, es noch einmal zu versuchen. Im Endeffekt war das hier auf Hiva Oa nichts, was er nicht allein bewältigen konnte.
    In Gedanken einige Jahre weit in der Vergangenheit, bei den letzten gemeinsamen Unternehmungen von A.I.M."
    das nach Ian Sutherlands Tod geschlossen worden war, ging Tom zur Höhle zurück. Die Nacht würde nicht allzu bequem werden, schließlich hatte er keinerlei Ausrüstung bei
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