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2011 - komplett

2011 - komplett

Titel: 2011 - komplett
Autoren: 3 Romane
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meinte ein anderer Helfer.
    „Wir haben ihn aus dem Wasser fischen müssen.“
    „Dauerte auch ’ne Weile, bis wir wussten, wo er hingehört“, erklärte ein dritter Mann.
    „Cousin Ralph?“ Tante Hortense erwachte erst jetzt aus ihrem Schockzustand, eilte an seine Seite und befreite seinen Kopf von der Decke, um ihn zu identifizieren. Nach einem erschrockenen Keuchen befahl sie den Bediensteten, Feuer im Kamin in Stephens altem Zimmer zu machen und ihr das Arzneitäschchen zu bringen. Ralph murmelte etwas Unverständliches und sank kraftlos auf die Knie.
    Unverzüglich polterten die Retter mit dem ohnmächtigen Mann die Treppe hinauf, um ihn nach oben zu bringen. Als sie Stephens altes Zimmer erreichten und ihn auf das Himmelbett hoben, traten Tante Eloise und Cousine Tillie herbei und gesellten sich zu Tante Hortense, die neben dem Bett stand. Sie legte eine Hand an Ralphs kalte, blasse Wange. „Armer, lieber Junge. Du bist jetzt daheim. Mach dir keine Sorgen.“
    Sie begannen, ihren zitternden Patienten auszuwickeln, gaben seinen Rettern die alten Decken zurück und verkündeten ihre Meinung zu dem Thema, wie man einen halb erfrorenen Körper am besten wieder aufwärmte. Tante Hortense warf ihrem Bruder einen gebieterischen Blick zu.
    „Abner, führe diese Leute nach unten und serviere ihnen ein Glas Glühwein und etwas Warmes zu essen. Und sorge bitte dafür, dass sie eine Belohnung erhalten.“
    Claire, die sich im Hintergrund gehalten hatte, machte jetzt hastig Platz, um die Männer vorbeizulassen. Dann blieb sie einen Moment im Flur stehen und schaute neugierig zu, wie die Damen sich um ihren Patienten kümmerten.
    Es erinnerte sie alles so sehr an den Tag vor vier Jahren, dass ihr der Atem stockte.
    Auch damals war es ein Kutschunfall gewesen. Auch damals hatte ein Mitglied der Familie in Lebensgefahr geschwebt.
    Als sie das Zimmer betrat, um ihre Hilfe anzubieten, fing Tante Eloise sie ab und drängte sie in den Flur hinaus, wobei sie ihr versicherte, es schicke sich für eine junge Dame nicht, dabei zu sein, während sie einen Mann von seiner Kleidung befreiten. Die Krankenpflege bliebe ausschließlich älteren, erfahrenen Frauen vorbehalten.
    Zwei Stunden vergingen, in denen heißes Wasser herbeigeholt, Tränke gebraut und frische Laken herangeschafft wurden, bevor Cousine Tillie aus dem Zimmer trat und verkündete, dass Ralph sehr wahrscheinlich überleben würde. Eine weitere Stunde später teilte Tante Eloise ihnen mit, dass Ralph Fieber hatte und wirres Zeug redete, aber Gott sei Dank nicht wirklich zu Eis erstarrt war.
    Claire hielt zusammen mit Onkel Abner und Cousin Halbert Wache im Salon. Es war fast schon Mitternacht, als Tante Hortense herunterkam und mit vor Erschöpfung schwacher Stimme sagte, dass ihr Patient das Schlimmste überstanden hatte. Bei guter Pflege würde er sich wieder ganz erholen. Claire stieg nachdenklich die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Ihr schlechtes Gewissen drängte sie dazu, ein bußfertiges Gebet für den armen Ralph zu sprechen – aus Sühne für die Abneigung, die sie ihm gegenüber empfunden hatte.
    Weihnachten sollte doch noch auf die traditionelle Weise gefeiert werden, wie Tante Hortense am nächsten Tag zu aller Erleichterung verfügte. Cousin Ralph schlief zwar, doch bis zum Abend würde es ihm wohl gut genug gehen, dass er sich zu ihnen gesellen konnte, um Weihnachtslieder mit ihnen zu singen und – wenn auch verspätet – die Kerzen am Christbaum anzuzünden.
    Nach einem frühen Weihnachtsmahl, es begann bereits zu dämmern, schoben Tante Hortense und Onkel Abner einen quietschenden, mit Rädern versehenen hölzernen Stuhl in den Salon. In ihm saß eine dick in Laken und Decken gewickelte Gestalt. Nur der halb vermummte Kopf war zu sehen, auf dem mit einem Schal eine neumodische Gummiwärmflasche befestigt worden war.
    Das war der legendäre Cousin Ralph? Claire musste sich auf die Unterlippe beißen, um nicht laut zu lachen, als sie den stark geröteten Kopf mit dem ungläubigen Gesichtsausdruck musterte.
    Periwinkle kippte vom Kaminsims, von wo sie die Krippe betrachtet hatte, und richtete sich fassungslos auf. Ein Schauer der Vorahnung überlief sie, der direkt von den himmlischen Mächten geschickt worden war, denn so kündigten sie ihr an, dass dieses Geschöpf der für Claire Auserkorene war. Ganz gegen ihren Willen war ihr erster Gedanke, das könne nicht sein. Der Mann sah aus wie siebzig und fürchterlich elend. Immerhin wäre er fast
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