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1991 Atlantik Transfer (SM)

1991 Atlantik Transfer (SM)

Titel: 1991 Atlantik Transfer (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Kriegsschiffen Tausende von Handelsdampfern. Auch diese zu treffen war erklärtes Ziel, weil sie militärischen Nachschub transportierten.
    Nun, die Vagabundin von Brest konnte weder denken noch fühlen, und die Erfolge ihrer Ahnen waren ihr so gleichgültig wie ihr eigener Weg. Sie besaß keine Seele, war ein lebloses Ding. Dennoch mußte jeder, der ihr nahekam, sie fürchten, denn der Mensch hatte sie mit einer seiner übelsten Eigenschaften ausgestattet: der Tücke.

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    Als die MELLUM den guayanischen Hafen Paramaribo, wo sie Bauxit geladen hatte, verließ, legte – viertausend Seemeilen entfernt – ein anderes Schiff von einem Kai im irländischen Belfast ab. Es unterschied sich deutlich von Kapitän Baumanns Bulkcarrier, hatte nur sechstausend Tonnen und führte zwar, wie die MELLUM, eine ordnungsgemäß deklarierte Ladung, nämlich Stückgut und Container für Philadelphia, aber seit Jahren betrieb die Schiffsleitung nebenher ihr monkey business, beförderte heimlich Waffen, Drogen, Gold, Alkohol, lauter Waren, die strengen Ausfuhrbestimmungen unterlagen; und von Zeit zu Zeit befand sich sogar Diebesgut in der Ladung. Auch diesmal hatte die CAPRICHO – so hieß das im chilenischen Antofagasta beheimatete Schiff – etwas an Bord, was illegal außer Landes gebracht werden sollte.
    Schon während des ersten Teils der Reise, auf der Strecke Antwerpen-Belfast, hatte es, neben seiner legalen Fracht, Waffen für die IRA befördert. Für den zweiten Abschnitt, den von Irland nach Nordamerika, waren in den beiden Ladeluken und auf Deck ganz normale Container mit Maschinenteilen verstaut worden, detailliert aufgeführt in den Manifesten; und für die dritte Phase, das Teilstück von Philadelphia nach Veracruz, war wiederum saubere Fracht in Containern vorgesehen. Aber auf der gesamten Strecke von Antwerpen über Belfast und Philadelphia nach Veracruz würde die CAPRICHO ein Geheimnis bergen, von dem nur der deutsche Kapitän, der chilenische Erste Offizier und der Chief-Ingenieur, ein Kolumbianer, wußten. Hätten Vertreter einer der großen KlassifikationsGesellschaften wie der GERMANISCHE LLOYD, das BUREAU VERITAS, das NORSK VERITAS oder auch LLOYD’S REGISTER sich die Aufbauten der CAPRICHO genauer angesehen, so hätten sie auf dem Captain’s Deck einen etwa sechs Kubikmeter großen Raum gefunden, den man nur durch eine verborgene Tür betreten konnte und der auf dem offiziellen Schiffsplan gar nicht vorhanden war. Man hatte ihn durch veränderte Maßangaben einfach weggezaubert.
    Dieses nur an der Schiffsaußenseite von Stahl-, sonst von Holzwänden umschlossene Geviert lag zwischen dem Zoll-Store, der Zigaretten, Tabak, Getränke und einige weitere für den Verkauf an die Besatzung bestimmte Artikel enthielt, und dem Kapitänssalon, und natürlich hatte es kein Bullauge. Während der letzten Jahre waren in der bodega, wie die wenigen Mitwisser die kleine Kammer nannten, schon Hunderte von MPs und Schnellfeuergewehren, aber auch Edelmetalle und Kunstgegenstände übers Meer transportiert worden, natürlich gegen hohes Frachtgeld, das der Kapitän kassierte und nach einem festgelegten Schlüssel unter den Eingeweihten aufteilte.
    Diesmal barg das Versteck einen Passagier: den Deutschen Ernst Pohlmann, der unter dem Namen Eberhard Leuffen in Antwerpen an Bord geschleust worden war.
    Daß die bodega schon über so viele Reisen hin nicht nur den offiziellen Besuchern wie Maklern und Zollbeamten, sondern auch der Besatzung verborgen geblieben war, ließ sich leicht erklären. Die einzige Meßstrecke, mit deren Hilfe man die Existenz des nur anderthalb Meter breiten Raumes hätte nachweisen können, war der am Kapitänssalon und am Store entlang verlaufende Gang; aber wer käme schon auf die Idee nachzuprüfen, wie tief dahinter einerseits die Regale des Warenlagers waren und wieviel Wohnfläche andererseits dem Kapitän zur Verfügung stand? Achtundzwanzig Jahre war die CAPRICHO alt, und achtundzwanzig Jahre existierte auch das verschwiegene Gelaß. Der erste Eigner, ein Spanier mit Namen Francisco Ordaz Vizcaino, der das Schiff auf einer Londoner Werft hatte bauen lassen, ein Reeder und Kapitän in Personalunion, hatte seinen Schiffszimmermann schon bald nach der Jungfernfahrt mit den von ihm gewünschten Änderungen beauftragt, und als das Schiff dann den Hafen von Malaga anlief, war die bodega fertiggestellt. Sie wurde auch bald eingeweiht, denn kaum war Dona Eugenia, Franciscos Frau, nach ihrem Besuch wieder von
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