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187 - Die Wolfshexe

187 - Die Wolfshexe

Titel: 187 - Die Wolfshexe
Autoren: A.F.Morland
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nennen.
    Sie war in Clerkenwell zu Hause. Als wir dort eintrafen, bot sie mir - ohne jeden Hintergedanken, wie sie sagte -einen Drink an.
    Ich stieg mit ihr aus und folgte ihr in das Haus, in dem sie wohnte. Sie hakte sich bei mir unter, als wir nebeneinander die Treppe hinaufstiegen.
    Wir waren Freunde geworden, ohne daß wir es irgendwie betonen mußten. Wir wußten es.
    In ihrer Wohnung herrschten helle Farben vor. Die meisten Möbel waren weiß. Sally zeigte auf den Hi-Fi-Turm, der auch hinter einer Glastür ihre Schallplattensammlung beherbergte. »Haben Sie irgendeinen Musikwunsch? Suchen Sie sich aus, was Ihnen gefällt. Ich ziehe mir nur rasch etwas Bequemeres an.«
    Sie verschwand hinter einer weißen Tür, ich durchforstete die LPs und fand das letzte Album des »Electric Light Orchestra«. Mir war danach, Jeff Lynn und seine Mannen »aufspielen« zu lassen. Kurz nachdem ich die Langrille auf den Teller gelegt und den Tonarm richtig plaziert hatte, erschien Sally Reynolds wieder.
    Sie trug ein weites Kleid aus hauchdünnem Stoff, den das Licht der Stehlampe transparent machte. Ich konnte ganz deutlich die scharfen Konturen ihres aufregend geformten Körpers erkennen, und ich fragte mich, ein wenig unsicher geworden, ob es eine gute Idee gewesen war, ihre Einladung anzunehmen.
    Sally zeigte auf eine der beiden Boxen. »Sind Sie ein Fan dieser Gruppe, Tony? Darf ich Ihnen die Platte schenken?«
    »Ich habe sie zu Hause.«
    Sally forderte mich auf, Platz zu nehmen. Wenig später kam sie mit zwei Gläsern. Ich prostete ihr zu und trank. Und als mein Glas leer war, wurde mir schwarz vor Augen.
    Blackout.
    ***
    Als ich zu mir kam, glaubte ich, Phantasie und Realität nicht mehr unterscheiden zu können. Ich befand mich nicht mehr in Sally Reynolds’ Wohnung, sondern saß auf einer Bank am Ufer der Themse, deren schwarzes Wasser träge an mir vorbeikroch. Es regnete nicht mehr.
    Was war geschehen? Wie kam ich hierher? War ich zudringlich geworden? Hatte mich Sally hinausgeworfen? Oder hatte sie mir irgend etwas in den Drink getan, das mich um den Verstand und auf Touren bringen sollte? Hatte Sally Reynolds mit mir gespielt?
    Ich hatte das unbestimmte Gefühl, daß meine Hände nicht sauber waren, und als ich sie hob, um einen Blick darauf zu werfen, traf mich vor Schreck beinahe der Schlag.
    Meine Hände waren blutig!
    Wessen Blut war das? Sallys? Es mußte ihres sein. O Gott, was hatte ich getan? Wenn ich Antwort auf diese und viele andere Fragen wollte, mußte ich nach Clerkenwell zurückkehren.
    Mit etlichen Papier-Taschentüchern reinigte ich meine Hände. Ich kam mir dabei vor wie ein Verbrecher, der eine Spur verwischt. Was hatte ich in Sally Reynolds’ Wohnung verbrochen ?
    Hatte ich… die junge Journalistin… umgebracht?
    Da kein Taxi auftauchte, nahm ich den Bus. Während der Fahrt fühlte ich mich ständig angestarrt, und mir war, als wüßten alle, was ich getan hatte.
    Somit wußten sie mehr als ich, denn ich hatte keinen blassen Schimmer.
    Geistesabwesend verließ ich den Bus. Als das Haus in Sicht kam, in dem Sally Reynolds wohnte, war mir, als trüge ich Bleiplatten an meinen Schuhen.
    Jeder Schritt kostete mich mehr Kraft und Überwindung als der vorhergehende.
    Ich hatte Angst vor der Wahrheit. Ist das verwunderlich?
    Vor dem Haus blieb ich stehen. Selten war ich so mutlos gewesen. Was erwartete mich dort oben? Eine Leiche? Eine Tote, die ich auf dem Gewissen hatte? Meine blutigen Hände ließen eigentlich keinen anderen Schluß zu.
    Dreh jetzt bloß nicht durch, Tony! redete ich mir im Geist zu. Du mußt das durchstehen, mußt dir Gewißheit verschaffen, egal, wie schlimm es kommt.
    Ich betrat das Gebäude. Zu dem mit Bleiplatten besohlten Schuhen kamen jetzt auch noch unsichtbare Eisenkugeln, die mir jeden Schritt zur Qual machten.
    Ich schleppte mich die Treppen hoch, erreichte den dritten Stock und verharrte vor der geschlossenen Tür, an der kein Name stand.
    Welches Grauen verbirgt sich dahinter? überlegte ich, während ich zögernd meine Hand nach dem Türknauf ausstreckte. Ich drehte ihn, und die Tür ließ sich öffnen.
    Es ging fast über meine Kräfte, die Wohnung zu betreten. Ich fühlte mich elend.
    »Sally!«
    Ich stand in der Diele und rief sie, doch sie antwortete nicht. Ich hoffte, sie nur verletzt vorzufinden und sie noch retten zu können.
    »Sally?«
    Im Wohnzimmer war alles so, wie ich es in Erinnerung hatte. Doch wo war Sally Reynolds? Im Schlafzimmer? Ich schluckte
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