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1869 - Gesang der Kleinen Mütter

Titel: 1869 - Gesang der Kleinen Mütter
Autoren: Unbekannt
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Jet am ganzen Körper eingerieben hatte. Ohne diese Salbe wäre sie wahrscheinlich unter den Myriaden von Mücken und Stechinsekten nicht mehr ‘erkennbar gewesen und als roher Fleischklumpen bei der Station angekommen. Für die Einwohner von Sabinn war diese Salbe bereits zur zweiten Haut geworden, mit der es sich ausgezeichnet leben ließ.
    Nach zwei Stunden wichen Bäume, Schlingpflanzen und Büsche allmählich zurück, und Bré konnte die Zäune der großen Freilandgehege erkennen. Hier wurde nichts energetisch abgeschirmt, sondern mit gutem altem Maschendraht umzäunt, damit die Tiere drinnen und draußen die Grenzen jederzeit visuell erkennen konnten.
    Wie stets waren die Gehege voll mit Pfleglingen - Kranken, Verwaisten, Zugelaufenen, Alten -, die die unbekannte Besucherin neugierig von ferne oder ganz unverfroren direkt am Zaun entlang beobachteten.
    Geschnatter, Gezwitscher und Gekreische kam auf, jeder mußte seinen Kommentar abgeben.
    Bré lachte in sich hinein. Diese Tiere waren die aufmerksamsten Wachtposten, ihnen entging einfach nichts. Wenn man geübt war, konnte man aus der Art des Lärms den Grad der Bedrohung heraushören. Die Bemerkungen über sie konnte man wohl so übersetzen: He, seht anal da! Wer ist das? Läuft hier frei rum!
    Kommt doch mal her!
    Bei einem Husslar, der nicht wie Jafko bekannt gewesen wäre, hätte es natürlich ein ganz anderes Geschrei gegeben.
    Urplötzlich blieb Bré stehen. In einem weitläufigen Gehege befand sich jemand allein. Ein sehr großes, vierbeiniges Tier, ungefähr vier Meter hoch, mit zottigem grauem Fell, mächtigen Spießhörnern auf dem hohen Schädel, einer dicklippigen Schnauze mit großen Nüstern, sanften großen Augen, dicht befellten langen Schlappohren und einem langen grauen Spitzbart. Der Rücken fiel steil ab, so daß die säulenartigen Vorderbeine sehr viel höher waren als die eher plumpen Hinterbeine. Es besaß einen langen dünnen Schwanz mit dickem Igelborsten am Ende, der unentwegt in Bewegung war, um Fliegen und Mücken zu verjagen. Auf dem Rücken des mächtigen, behäbigen Tieres hockten eine Unmenge Madenhacken „Ponka?" flüsterte Bré „Bist du das wirklich, altes Mädchen? Das ist ja nicht zu fassen!"
    Ponka war schon alt gewesen, als Bré das Laufen gelernt hatte. Wie lange das Tier auf der Station lebte, wußte niemand mehr. Wahrscheinlich hatte es mal jemand aus der Savanne mitgebracht, denn im Dschungel gab es keine dieser Art. Ponka weigerte sich beharrlich, ihr Gehege zu verlassen, und ließ sich hinten und vorne bedienen. Zum Dank dafür gab sie sich als äußerst friedfertiges, unendliches geduldiges, freundliches Wesen mit einem sehr guten Gedächtnis.
    Die alte Dame erkannte die Sabinnerin auch; sie kam mit behäbig stampfenden, gleichmäßigen Schritten auf sie zu und steckte die Wulstlippen durch die Maschen. Eine lange schwarze, erstaunlich flinke Zunge schoß heraus und ringelte sich um Brés Hand.
    Bré freute sich, jemand Vertrauten wiedergefunden zu haben. Nach der ausführlichen Begrüßung ging sie weiter, auf das große Haupthaus der Station zu. Davor entleerte eine große, hagere Frau mit dunklem, im Nacken zusammengebundenem Haar einen großen Eimer in einen Trog.
    „Hallo!" rief Bré und ging schneller.
    Die Frau wandte ihr ein wettergegerbtes, faltenreiches, gutmütiges Gesicht zu, und Erstaunen trat in ihre dunklen Augen.
    „Nun sieh mal einer an", sagte Roan Miller. „Was treibt dich denn hierher zurück, Bré Tsinga?"
     
    *
     
    Zuerst mußte Bré ein ausgiebiges Mahl und einen stärkenden Silbertropfen zu sich nehmen, bevor sie erzählen durfte. Sie genoß es allerdings, auf der schattigen Veranda zu sitzen und die Arbeiten auf der Station zu beobachten. Die meisten Leute kannten sie, und sie war lebhaft begrüßt worden.
    Roan Miller, die auf die 90 zugehen mochte, rieb sich mit einem Tuch den Schweiß von Stirn und Nacken ab.
    „Heute ist wieder einer dieser Tage ...", sagte sie und zündete sich eine Pfeife an. .
    Sie rauchte wie ein Schlot eine Kräutermischung, die nach Nüssen und Vanille schmeckte und nach Zimt duftete. Bré konnte sich nicht vorstellen, daß man danach süchtig werden konnte, denn diese Kräuter hatten dieselbe Wirkung wie ein Tee oder eine Inhalation, aber die Tierärztin behauptete, damit stets frisch und aktiv zu sein. „Selbsthypnose", diagnostizierte die Psychologin.
    „Damit hörst du nie mehr auf, nicht wahr?" fragte sie zwischen zwei Bissen und deutete auf die
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