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186 - Wächter der Stille

186 - Wächter der Stille

Titel: 186 - Wächter der Stille
Autoren: Stephanie Seidel
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Mar’osianern, war Schuld daran, dass er diese Gier empfand; dass Sex, Fressen und Töten in ihm dieselbe Lust, die gleiche Erregung auslösten.
    Agat’ol fraß sich schier um den Verstand. Blind gegen alles und jeden, verloren in orgiastischen Fantasien, stopfte er sich voll. Er spürte natürlich den Soord’finn, wie er zwischen seinen Schenkeln ruckte. Es kümmerte ihn nur nicht. Agat’ol setzte es als gegeben voraus, dass der Kampffisch nichts weiter tat, als abdriftende Waalstücke aufzuschnappen.
    Er irrte sich, und als er das merkte, war es schon fast zu spät.
    Ein zufälliger Blick über das Fleisch vor seinem Gesicht.
    Kleine Lichter in der Dunkelheit. Blinkende kleine Lichter, wie die Steuerung einer Transportqualle. Widerschein auf dem Knochenschwert des Soord’finns. Abstand der Spitze zur Quallenhaut: eine Körperlänge.
    »Was… Verflucht!« Agat’ol hatte die Geistesgegenwart, seine Stimme gedämpft zu halten. Er ließ das Fleisch los, warf sich nach vorn, suchte hastig die Zügel. Natürlich hätte er auch den Blitzstab benutzen können, um seinen Schwertträger zu stoppen, aber er brauchte das verdammte Vieh ja noch.
    Agat’ol riss den Soord’finn herum. Weg, nur weg von der Transportqualle! Sie gehörte Quart’ol, da gab es keinen Zweifel. Kampffische jagten keine bionetischen Geschöpfe, es sei denn, man brachte sie künstlich auf deren Spur.
    Um eine Flossendicke strich das Knochenschwert an der dunklen Kuppel vorbei. Agat’ol stieß dem Soord’finn die Hacken in die Flanken, trieb ihn fort, so schnell es ging. Kurzer Blick über die Schulter: Wurde die Qualle durchsichtig? Hatte man ihn bemerkt? Nein, offenbar nicht! Er spürte Erleichterung, ließ sogar schon die Zügel sinken. Da tauchte das nächste Unheil auf.
    Schatten huschten heran; lautlos, schlank, tödlich.
    Shaakas!
    Das Blut des Waals musste sie angelockt haben, und wie alle Haie würden sie nicht eher wieder verschwinden, bis sie das letzte Stück fressbarer Materie geschnappt hatten. Leider standen auch Transportquallen auf ihrem Speisezettel. Samt Inhalt. Agat’ol zog seine Waffen, machte sich bereit für den Kampf. Er musste die Shaakas unter allen Umständen von Quart’ol fernhalten, denn nur lebend konnte der Hydrit ihm – wenn auch ungewollt – den Weg nach Gilam’esh’gad zeigen, wo Agat’ol ihn dann töten würde.
    Das Ganze entbehrte nicht einer gewissen Ironie, und der Mar’os-Krieger lächelte grimmig, als er sich den Haien stellte…
    ***
    Tauchtiefe: 10.400 Meter
    »Und ich sage euch: Wir werden verfolgt!«, beharrte Clarice. Sie stand mit Vogler nahe der Steuerung, zum Nichtstun verdammt, während Quart’ol die Transportqualle durch unbekannte Tiefen lenkte.
    »Nein, werden wir nicht«, sagte der Hydrit, ohne aufzusehen. Seine Hände schwebten über den blinkenden Kontaktfeldern – bereit, eine sofortige Kursänderung vorzunehmen, falls wieder eines dieser unerwarteten Hindernisse auftauchen sollte. Quart’ol hielt den Blick nach vorn gerichtet und versuchte sich zu konzentrieren. Das war nicht leicht. Im Inneren der Transportqualle hatte sich ein Schwingungsfeld aufgebaut; eine Manifestation der ungeheuren Anspannung, unter der die drei Gefährten standen.
    Man konnte es spüren. Körperlich! Es durchpochte einen wie Herzschläge mit doppeltem Echo, was sehr irritierend war, aber keineswegs die einzige Merkwürdigkeit darstellte, die der Marianengraben für seine Besucher bereit hielt.
    Da waren manchmal Geräusche, die sich nirgends zuordnen ließen. Sie kamen aus den Wänden der Transportqualle, und sie huschten vorbei wie ein nicht erfassbarer Sender beim automatischen Suchlauf. Anfangs dachte Quart’ol, ihn hätte der Tiefenrausch gepackt. Aber Vogler und Braxton hatten die Geräusche auch gehört, und zwar in den Lautsprechern ihrer Helme. Es waren Stimmen – Wortfetzen in einer Sprache, die niemand verstand.
    Dies und jene rätselhaften Lichtflecken auf den Druckanzügen der Marsianer, die auswichen, wenn man nach ihnen griff, waren gute Gründe, das Unternehmen abzubrechen.
    Da brauchte Clarice nicht noch von einem Verfolger zu unken!
    Sie tat es trotzdem, und das schon seit Tauchtiefe Dreitausend!
    Quart’ol verzog den Mund.
    Bei Tauchtiefe Dreitausend hatte er die Pigmentfärbung der Transportqualle deaktiviert, denn hier begann das Reich der legendären Riesenkraken. Quallen und Kraken waren traditionell Todfeinde, ihre Kämpfe zum Teil spektakulär. Mit Tarnfarben entkam man den
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