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185 - Ein Albtraum erwacht

185 - Ein Albtraum erwacht

Titel: 185 - Ein Albtraum erwacht
Autoren: Michael M. Thurner
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auf OZZ angekommen? Was ist, wenn ich die Vorhut eines größeren Trupps bilde?«
    Tello schwieg, blass geworden.
    »Du bist nicht nur ein aufgeblasener und verlogener Kerl«, sagte Aruula, »sondern auch ein denkbar schlechter Stratege. An deiner Stelle hätte ich dafür gesorgt, dass mein Platz weit weg von den Ach-so-reichen-Händlern wäre, und dass mehrere deiner Leute ein Auge auf mich hätten. Aber nein – es erschien dir wichtiger, dich bei mir einzuschmeicheln.« Sie sagte es so laut, dass es alle Dienst tuenden Wächter rings um sie verstehen mussten. »Lasst euch das gefälligst eine Lehre sein! Selbst hinter dem harmlosesten Gesicht kann ein fürchterlicher Gegner stecken.« Aruula wandte sich wieder direkt an Tello.
    »Es ist gut, mein Freund. Ich verstehe nun die Art und Weise, wie du deinen Dienst tust, und werde meine Lehren daraus ziehen. Du darfst gehen.«
    Patsch. Tello wirkte, als hätte er einen Schlag quer übers Gesicht erhalten. Die Gesichtsnarben glühten auf, und wie ein geprügelter Hund schlich er vom Turm hinab. Nicht ohne ihr mit einem letzten zornigen Blick sein wahres Wesen zu offenbaren.
    Der Rabbadaag hatte Recht. Aruula würde sich vor dieser Schlange in Zukunft in Acht nehmen müssen.
    ***
    Das Innenleben des Roodtrens war in der Tat fantastisch. Jede Kabine, jeder Wagen und jedes Abteil bildeten eine eigene Welt. Saßen dort verschleierte Haremsdamen, die in Städten an den Meistbietenden verliehen wurden, so begegnete Aruula eine Tür weiter einem Edelsteinhändler, dessen Hände mit höchst wertvollem Glitzerstaub überzogen waren.
    Gewürzbauern horteten ihre seltenen Rohstoffe in seidenen Säcken, Meuchelmörder vertrieben sich beim Kartenspielen die Zeit bis zum nächsten Aufenthalt, Retrologen fachsimpelten und stritten miteinander.
    Aruula sprach mit Saatbauern, Schneiderinnen, Interpretatoren alter Schriften, Wassersuchern, Verkäufern von Bohrgeräten, Lehrern, alternden Kurtisanen, Waffenherstellern, Pelzhändlern, Pretiosensammlern, Gerbern, Tuchverkäuferinnen, Hygienearchitekten…
    »Hygienearchitekt?«, fragte sie das kleine Hutzelmännchen, das sie zahnlos angrinste.
    »Das bin ich«, antwortete die bucklige Gestalt und stellte sich als Syd vor. »Ich bringe den Dorf- und Stadtbewohnern, denen wir mit OZZ einen Besuch abstatten, Wissen über längst vergessene Dinge zurück. Wie man Kloaken und Kanäle anlegt, was man dabei beachten muss und wie man sich vor ansteckenden Krankheiten schützt. Wenn du wüsstest, wie ahnungslos die Menschen sein können, wenn es um die eigene Hygiene geht…«
    Aruula blickte auf ihre beiden stinkenden, stumpf vor sich hin starrenden Begleiter. Einer von ihnen pulte einen Floh aus den fetttriefenden Haaren und zerknackte ihn zwischen den Zähnen. »Ich kann es mir vorstellen«, sagte sie und zwinkerte dem Alten zu. »Und wie wird dein Wissen aufgenommen?«
    Er seufzte. »Es ist immer Schwerstarbeit, den jeweiligen Maa’or (Bürgermeister) oder Dorftyrannen von der Sinnhaftigkeit meiner Pläne zu überzeugen. Mein Rat ist auch nicht billig zu haben, das gebe ich gerne zu. Aber wer auch immer mich bucht und mir meine Pläne abkauft, wurde zufrieden gestellt. Dank meiner Hilfe blühen Gemeinden auf und genießen eine geringere Sterblichkeitsrate als zuvor.« Er zwinkerte. »Diese Argumente ziehen bei jedermann. Beim Bürgermeister, weil er das Wohl der Gemeinde im Auge behält. Beim Despoten, weil er damit rechnen kann, in Zukunft mehr Sklaven zur Verfügung zu haben.«
    Aruula nickte dem Alten freundlich zu und marschierte weiter durch den ewig schwankenden Roodtren.
    Dies hier war Wagen Nummer 13, im Jargon der OZZ-Leute auch die »Wissenskammer« genannt. Immer wieder trafen sich hier die intelligentesten Leute des Konvois, um über neue technische und geistige Errungenschaften zu streiten.
    Wäre Maddrax hier, würde er wohl alles daran setzen, diese Menschen weiter auszubilden, dachte Aruula betrübt. Hier könnte er seinen Glauben an eine bessere Zukunft der Menschen auffrischen.
    Kichernde Weiber und Männer machten ihr im Vorbeigehen eindeutige Angebote. Im Wagen Nummer 14 herrschte eine schwülstige Atmosphäre. Aus luxuriös ausgestatteten Verschlägen drang rhythmisches Gestöhne. Hier war der wahre Reichtum von OZZ beheimatet. Ein Großteil jener Gelder und Besitztümer, die von den Händlern während der Fahrt angehäuft wurden, wechselten in Wagen 14 den Besitzer.
    Franny, eine etwas beleibte, aber nicht unhübsche
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