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1848 - Zerrspiegel

Titel: 1848 - Zerrspiegel
Autoren: Unbekannt
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Herrschaft übernehmen zu lassen, wird auch so etwas wie heute nie wieder geschehen!
    Ich fordere von euch, daß ihr euch morgen wieder auf dem Platz einfindet. Alle! Gebt es an die anderen Herreach weiter, die jetzt nicht hier sind. Wir müssen Tausende sein, um soviel Macht wie möglich zu sammeln. Bereitet euch darauf vor, erneut in Trance zu versinken, aber laßt euch nicht willenlos treiben!
    Konzentriert euch auf das Wesentliche und nur auf das: Wir müssen dem Namenlosen einen Namen geben und dem Bösen die Macht nehmen!
    Wir werden es schaffen, alle zusammen. Es spielt keine Rolle, woran der einzelne wirklich glaubt, wenn wir nur ein gemeinsames Ziel haben. Ich bitte euch nicht darum, ich fordere und verlange es, weil wir sonst nicht mehr das Volk der Herreach sein werden!"
    Als die Stimme der obersten Künderin verhallte, herrschte Schweigen. Die Herreach verließen nacheinander das Betfeld. Vej Ikorad und Tandar Sel warteten auf Caljono Yai, aber sie gab ihnen durch ein Zeichen zu verstehen, daß sie später nachkommen wollte.
    Die beiden Herreach-Frauen blieben allein zurück.
    „Ich wollte dir noch etwas sagen", begann die Jüngere. „Es tut mir leid, daß ich dich jemals eine fanatische alte Frau nannte. Du bist weder eine alte Frau noch fanatisch. Du bist eine Große unseres Volkes, und ich will mich gern von dir auf der Suche nach dem wahren Namen für das Unbekannte leiten lassen. Und ich glaube, daß das auch alle anderen wollen. Sie werden morgen vollzählig erscheinen, und vielleicht stoßen sogar noch weitere dazu."
    „Es werden unter Umständen weitere Opfer gefordert werden, Yai", dämpfte die Ältere ihre Begeisterung.
    „Aber vielleicht können wir so endlich zum wahren Kummerog vorstoßen."
    „Verrenne dich nicht!" warnte Presto Go. „Was ich brauche, ist dein klarer Verstand. Keine Träume oder Wunschvorstellungen! Du besitzt ein sehr ausgeprägtes Talent, also verschwende es nicht mit irgendwelchen Sentimentalitäten!"
     
    *
     
    Presto Go ließ es sich nicht nehmen, im Anschluß an ihre Rede das Lager der Terraner aufzusuchen, um sich persönlich von ihrem Zustand zu überzeugen.
    Caljono Yai, die Sprecher der Neuen Realisten und der Herrachischen Freiatmer begleiteten sie. Weitere Herreach waren bereits dort, die sich manche Einrichtungsgegenstände zur Erleichterung der Bequemlichkeit zusammensuchten und einfach mitnahmen. Andere, von Caljono Yai beauftragt, brachten den hilflosen Menschen etwas zu essen.
    Viele Terraner waren nicht mehr da. Die meisten hatten sich bereits in alle Winde verstreut.
    „Ein trauriger Anblick", verkündete Presto Go nicht ohne Triumph. „Da seht ihr, wohin ihre Technik sie gebracht hat. Sie sind verrückt geworden und haben es versäumt, vorsorglich zur Heilung Maschinen zu bauen.
    Was für ein lächerlicher Haufen - und wie sehr haben sie sich uns gegenüber einst aufgespielt! Nichts als Schein, ein Verstecken hinter ihren Maschinen, die ihnen die Selbständigkeit genommen haben.
    So weit werden wir es niemals kommen lassen, das verspreche ich euch. Wir werden die Technik nur für das Notwendigste einsetzen, wie unsere Moond-Bahn, den Telegrafen oder das elektrische Licht. Doch abenteuerlichen Firlefanz wie die Terraner brauchen wir nicht, davon habt ihr euch jetzt selbst überzeugen können!"
    Sie hatte kaum ausgesprochen, als etwas Merkwürdiges geschah. Die Anlagen waren verwaist, schienen aber wohl zu funktionieren. Plötzlich begann über einer Station die Luft zu flimmern und zu flackern, ähnlich wie bei der Gebetstrance.
    Dann baute sich allmählich ein seltsames, farbiges Muster auf, das rasch in die Höhe wuchs, bis es leicht die Ruinen von Moond überragte und die im Lager anwesenden Herreach erstaunt innehalten ließ.
    Es war ähnlich wie ein Spiegel, nur daß nicht die Herreach abgebildet wurden, sondern zwei ganz andere Gestalten, die langsam an Konturen und Schärfe gewannen und schließlich überlebensgroß und wie leibhaftig wirkten.
    Caljono Yai setzte vor Verwunderung die verspiegelte Brille ab, ihre geschlitzten Augen öffneten sich.
    „Mila! Nadja!" rief sie. „Ich bin es, Caljono Yai! Könnt ihr mich verstehen?"
    „Bist du verrückt?" zischte Presto Go. „Was ist das für ein Teufelswerk?"
    „Ist das das Namenlose Fremde?" wurden andere Stimmen laut.
    Die technikscheuen Herreach duckten sich; selbst Vej Ikorad und Tandar Sel blieb die Sprache weg.
    „Es ist die terranische Technik, ich habe das schon mal gesehen",
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