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184 - Die Herren von Sydney

184 - Die Herren von Sydney

Titel: 184 - Die Herren von Sydney
Autoren: Ronald M. Hahn und Stephanie Seidel
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sodass niemand getroffen wurde.
    ***
    Ohne die hinderliche Kutte, die er bei Landeinsätzen stets als Tarnung trug, fühlte Quart’ol sich viel wohler.
    Doch momentan hätte er nichts gegen einen Schutzanzug gehabt, wie ihn seine extraterrestrischen Begleiter trugen: Die Abwasserkanäle unter der einstigen Millionenstadt waren verzweigt und nicht immer trockenen Fußes begehbar. In den wenigen Stunden, die der hydritische Forscher allein unterwegs war, hatte er seinem Herzen schon viel zu oft in der blumigen Ausdrucksweise Luft gemacht, die seinem menschlichen Seelenbruder locker über die Lippen ging.
    Verfluchter Bullshit!
    Die Zeit, die Quart’ols Geist im Körper des Menschen Matthew Drax verbracht hatte, war nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Manchmal äußerte sich dies darin, dass er Redensarten des 20. Jahrhunderts benutzte wie
    »Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt«. Dies gab gelegentlich Anlass zu Befremdlichkeiten, da derlei Metaphern bei den Hydriten unüblich waren und man weder Hund noch Pfanne kannte.
    Auch jetzt, als Quart’ol sich einen Weg durch Kanal 256 bahnte, hatte er Grund, seinem Seelenleben verbal Ausdruck zu verleihen.
    »Warum hab ich nur nachgegeben?«, jammerte er.
    »Warum hab ich mich breitschlagen lassen, ihnen die menschliche Kultur zu zeigen? Warum haben wir diese verdammte Stadt nicht links liegen lassen und sind gleich zum Challengertief gefahren?«
    Er blieb stehen, denn er glaubte ein Geräusch gehört zu haben. Und wieso bilde ich mir ein, dass ich verfolgt werde?
    Wäre er ein Mensch gewesen, hätten sich nun vermutlich seine Nackenhaare aufgerichtet. So jedoch zuckte er nur die Schultern und warf im Licht einer kleinen Öllampe einen Blick auf den Plan, den Nikodeemus von einem Sohn Einauges aus dem Kristianer-Museum hatte holen lassen. Ein zufriedenes Grinsen huschte über sein Fischgesicht. Er war fast am Ziel…
    ***
    Einerseits hatten Archers Sicherheitskräfte inzwischen die Tür versiegelt, die von der Kleiderkammer in den Keller des Daimler-Chrysler Building führte.
    Andererseits war es jedoch mit der Bildung seiner Leute schon traditionell nicht weit her, denn sie wussten nicht, dass ernstzunehmende Geistliche nicht damit zufrieden waren, um vier Uhr morgens aufzustehen, damit sie den Herrn preisen konnten.
    Ernstzunehmende Geistliche bildeten ihren Nachwuchs schon seit zweieinhalbtausend Jahren in jeder vorstellbaren wissenschaftlichen Disziplin, allen Handwerksberufen und weiteren Fertigkeiten aus, die jedoch streng geheim waren.
    So war Bruder Eddie, was man seiner hageren Gestalt nicht zugetraut hätte, ausgebildeter Koch. Bruder Chaalie hatte hingegen das Schlosserhandwerk erlernt: Er brauchte nur achtundvierzig Sekunden, um sämtliche Schlösser der zur Kleiderkammer führenden Tür zu knacken.
    Als sich dann zeigte, dass sie innen zusätzlich von drei dicken Stahlriegeln gehalten wurde, machte sich Kaplan Willie, der Chemiker, ans Werk: Er sprühte die Eisentür mit klaren Tropfen ein. Fünf Minuten später schmolz sie wie Butter an der Sonne.
    »Auf geht’s!« Roney zeigte dem geistlichen Trio den Weg durch die Kleiderkammer zu dem alten Nottreppenhaus, zu dem nur Pseudo-Stadtratzen einen Schlüssel hatten. Im Schein kleiner Öllaternen eilten sie über von Ratzenkot bedeckten Stufen nach oben – vorbei an Türen, die in Räume mündeten, in denen vor Jahrhunderten das Sicherheitspersonal der hier tätigen Unternehmen gearbeitet hatte.
    Seit dem Einzug des Militärs ins Hohe Haus hatte man zahllose Male Schritte eingeleitet, um die Räumlichkeiten aller Etagen von Unrat, Ungeziefer und Pilzen zu befreien. Doch die perfekte Säuberung und Renovierung hatte sich als unmöglich erwiesen: Es gab in diesem Gebäude Dutzende von leer stehenden Etagen mit Hunderten von Räumen, die man nur geschlossen und
    »stillgelegt« hatte, um sich im nächsten Jahrhundert um sie zu kümmern. Diese Etagen waren ein Paradies für Monsterkakerlaken, Riesenasseln, Kellerratzen und alles, was klein und gewandt genug war, um durch Kabel-, Luft- und Aufzugschächte aus der Kanalisation ins Trockene zu klettern. Da in den leeren Stockwerken auch Panzerglasscheiben zerbrochen waren, hatten Unwetter Erde, Laub, Zweige und Samen ins Gebäude geweht und einige üppige Dschungelpassagen angelegt, die sich besonders in ehemaligen Tagungs- und Festsälen ausbreiteten.
    Durch einen solchen Urwald führte Roney Kaplan Willie und seine staunenden Ordensbrüder in den 44.
    Stock
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