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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Autoren: Ludwig Rellstab
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nicht entfernt entsprechende Resultat. Die so gewonnene Freiheit der Betätigung lockte aber den jungen Ludwig; er begann sich nun mit Eifer dieser so oft verwünschten Kunst hinzugeben und warf sich fast mit Leidenschaft auf die Tonschöpfungen Karl Maria von Webers; auch persönlich lernte er schon zu jener Zeit den Komponisten des »Freischütz« kennen. Hatten auch die großen Musikaufführungen seit 1806 aufhören müssen, so war das elterliche Haus doch immer noch das Ziel musikalischer Gäste. Auch gestalteten sich die äußern Verhältnisse immer noch so, daß neben den Bedürfnissen des Tages manches Vergnügen der Kinder bestritten werden konnte. In das Jahr 1811 fiel die erste größere Reise Rellstabs; sie führte ihn nach Dresden und der Sächsischen Schweiz und machte ihn mit der sächsischen Hauptstadt und ihrer Umgebung bekannt, die beide in seinem Roman »1812« die Schauplätze wichtiger Begebenheiten sind.
    Auch an andern neuen Eindrücken waren diese letzten Jahre reich. Die Theaterwelt trat ihm zum ersten Male näher. In einem Flügel des väterlichen Hauses befand sich eine Bühne, die lange unbenutzt dastand, etwa 1808 aber von der Truppe des Schauspieldirektors Butenop einen Winter lang bezogen wurde. Man spielte meist Schau- und Lustspiele von Kotzebue, aber auch kleine Opern von Hiller u. a. Die Kinder des Hausherrn hatten natürlich freien Eintritt, und miteingeschwärzte Schulfreunde verschafften ihm dafür wieder Zugang zur Königlichen Oper. Das regte nun zu eigenem Theaterspiel an. Der Vetter Häring lebte nur in deutschen Ritterstücken wie »Götz von Berlichingen«, Rellstab dagegen wurde am stärksten durch griechische Tragödien gefesselt. Nach dem Abzug der Schauspieler bemächtigten sich die Kinder des Theaters, und der Vetter Wilhelm schrieb dafür ein eigenes Ritterschauspiel, dessen Vorbereitung und endliche Aufführung den kleinen Künstlern einen ganzen Winter lang Stoff zu eifrigster Beschäftigung gab. Das Auftreten eines Taschenspielers, dessen Künsten man durch eigene Versuche bald auf die Spur kam, führte dazu, daß der kleine Rellstab zum erstenmal als Journalist an die Öffentlichkeit trat. Sein Vater hatte ihm einen Aufsatz darüber abgefordert, und dieser gelang so gut, daß er mit etlichen Korrekturen in der »Vossischen Zeitung« erscheinen konnte. Von der Taschenspielerei kamen die Kinder auf chemische und physikalische Experimente; sogar mit Feuerwerk wurde leichtsinniger Unfug getrieben. Auch handwerksmäßige Kenntnisse wußten sich die Knaben zu erwerben; zur Buchbinderei und Tischlerei stellte sich der kleine Rellstab am geschicktesten an. Trotz dieser nützlichen und anregenden Beschäftigungen, die die meiste freie Zeit ausfüllten, war Ludwig, dieses Zeugnis gibt er sich selbst, »ein so vollständiger Berliner Gassenjunge wie nur einer« und in den Betätigungen übermütiger Kraft seinem sanftern Vetter weit überlegen. Als fleißiger Besucher der damals allenthalben errichteten Turnplätze erwarb er sich, obgleich an Gestalt kein Riese, eine körperliche Ausdauer, die noch dem spätern Soldaten sehr zustatten kam. Der geistigen Tyrannei, die sich auf den Turnplätzen hier und da breit machte, wußte er sich zu entziehen; Vaterlandsliebe und Franzosenhaß wurden aber durch den dort herrschenden Geist in dem künftigen Krieger mächtig angeregt, und die Gestalt eines Schill stand vor der jugendlichen Phantasie als die eines sagenhaften Helden der Vorzeit.
    Dann kam das Jahr 1812. Die französischen Truppen brachen im Frühjahr nach Rußland auf und wurden, obgleich verbündet, auf ihrem Durchzug nach dem Osten doch mehr als Feinde betrachtet. Die Nachricht von dem Einzug des französischen Kaisers in Moskau erfüllte alles mit bewunderndem Grauen; jetzt war er am Ziel seiner Wünsche, das größte Reich der Welt schien zerstört, der letzte Thron des europäischen Festlandes gestürzt. Aber dann schlugen die Flammen des Moskauer Brandes über diesen Triumphen zusammen, und was noch eben unüberwindlich schien, zerstob plötzlich in alle Winde. Trotz der spärlichen Nachrichten, die über die Grenze drangen, empfand auch der Knabe, daß etwas Ungeheueres und Unermeßliches geschehen sei, ein Weltgericht der Geschichte, das ohnegleichen war. Die grauenerregende Wirklichkeit offenbarte sich aber erst, als die Trümmer des französischen Heeres in Berlin eintrafen. Die Bilder, die sich dem Kinde nun auf den Straßen Berlins zeigten, waren die ersten
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