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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories
Autoren: Manfred Kluge
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auf­ge­stan­den war, aber noch auf der Schwel­le ih­rer ei­ge­nen Kam­mer stand. »Die­be! Die­be!«
    Bis da­hin hat­te ich mich so­weit an­ge­klei­det, daß ich ge­zie­mend in Er­schei­nung tre­ten konn­te; eben­falls mei­nen De­gen un­ter dem Arm, kam ich in den Kor­ri­dor hin­aus.
    »Oh, Gent­le­men – Gent­le­men!« jam­mer­te die Wir­tin. »Ha­ben Sie auch et­was ge­hört?«
    »Ja, einen Schrei, Ma­dam«, sag­te mein Mit­mie­ter. »Ha­ben Sie schon in die Schlaf­kam­mern Ih­rer Töch­ter ge­schaut?«
    Das Zim­mer der jün­ge­ren Toch­ter lag am nächs­ten, und in die­ses ging sie des­halb zu­erst. Einen Mo­ment dar­auf er­schi­en sie wie­der auf der Schwel­le, im Ge­sicht weiß wie ein La­ken, rang die Hän­de und stöhn­te:
    »Mord! Mord! Mein Kind – mein Kind ist er­mor­det wor­den, Mas­ter Har­ding.« Das war der Na­me mei­nes Mit­mie­ters.
    »Rei­ßen Sie ei­nes der Fens­ter auf und ru­fen Sie nach der Wa­che«, sag­te er zu mir. »Ich wer­de das Zim­mer durch­su­chen, und we­he je­dem, den ich un­er­laubt in des­sen Wän­den fin­de.«
    Ich tat, wie er ge­sagt hat­te, lehn­te mich aus dem Fens­ter und rief nach der Wa­che, aber kei­ne Wa­che kam; dann, bei ei­nem zwei­ten Be­such im Zim­mer ih­rer Toch­ter, stell­te die Wir­tin fest, daß die­se nur ohn­mäch­tig war und daß sie sich durch das Blut an ih­rem Hals hat­te täu­schen las­sen, sie sei er­mor­det wor­den; dar­auf­hin kam das Haus wie­der halb­wegs zur Ru­he, und da jetzt so­wie­so der Mor­gen na­he war, zog Mr. Har­ding sich wie­der auf sein Zim­mer zu­rück und ich mich auf das mei­ne, und wir über­lie­ßen es der Wir­tin und ih­rer äl­te­ren Toch­ter, am Bett der jün­ge­ren zu wa­chen.
    Wie herr­lich wie­der­be­lebt ich mich fühl­te – ich war ei­ne völ­lig neue Krea­tur, als die hel­len Son­nen­strah­len in mein Zim­mer fie­len. Ich klei­de­te mich an und woll­te ge­ra­de das Haus ver­las­sen, als Mr. Har­ding aus ei­nem der Zim­mer im Par­terre trat und mich ab­fing.
    »Sir«, sag­te er, »ich ha­be nicht das Ver­gnü­gen, Sie zu ken­nen, aber ich bin si­cher, ein all­ge­mei­nes Ge­fühl von An­stand und Rit­ter­lich­keit wird Sie ver­an­las­sen, al­les in Ih­ren Kräf­ten Ste­hen­de zu tun, ei­ner so schreck­li­chen Be­dro­hung wie in der letz­ten Nacht vor­zu­beu­gen, da­mit sie sich nicht wie­der­ho­len kann.«
    »Be­dro­hung, Sir?« sag­te ich. »Be­dro­hung von wem und durch was?«
    »Ei­ne sehr be­rech­tig­te Fra­ge«, sag­te er, »aber gleich­zei­tig ei­ne, die ich kaum be­ant­wor­ten kann. Das Mäd­chen be­haup­tet, sie sei da­von er­wacht, daß je­mand sie in den Hals biß, und als Be­weis da­für weist sie auch tat­säch­lich Biß­spu­ren vor. So ent­setzt ist sie dar­über, daß sie er­klärt, nie­mals wie­der schla­fen zu kön­nen.«
    »Sie er­stau­nen mich«, sag­te ich.
    »Si­cher, die Sa­che ist so er­staun­lich, daß man nie­man­dem die Zwei­fel ver­den­ken kann, die er ha­ben mag. Aber wenn Sie und ich, die wir bei­de Be­woh­ner die­ses Hau­ses sind, heu­te nacht in dem Kor­ri­dor Wa­che hal­ten wür­den, könn­te das auf die Ein­bil­dung des jun­gen Mäd­chens ei­ne be­ru­hi­gen­de Wir­kung ha­ben, und viel­leicht ge­lingt es uns da­durch, dem nächt­li­chen Stö­ren­fried auf die Spur zu kom­men.«
    »Ge­wiß«, sag­te ich, »ich ste­he ganz zu Ih­rer Ver­fü­gung, und es wird mir ein Ver­gnü­gen sein.«
    »Gut, ma­chen wir dann gleich jetzt aus, daß wir uns um elf Uhr abends in Ih­rem oder mei­nem Apart­ment tref­fen.«
    »In wel­chem im­mer Sie wol­len, Sir. Wel­ches Sie für das ge­eig­ne­te­re hal­ten.«
    »Ich schla­ge mei­nes vor, wel­ches die letz­te Tür im Kor­ri­dor ist und wo ich mich glück­lich schät­zen wer­de, Sie um elf zu se­hen.«
    Es war da et­was an den Ma­nie­ren die­ses jun­gen Man­nes, das mir nicht ganz ge­fiel, und doch konn­te ich nicht zu ei­nem po­si­ti­ven Schluß kom­men, ob er mich ver­däch­tig­te; da­her hielt ich es für vor­ei­lig, zu flie­hen, wenn da­für viel­leicht über­haupt kein An­laß be­stand. Im Ge­gen­teil, ich ent­schloß mich, das Er­geb­nis des Abends ab­zu­war­ten, das viel­leicht ver­häng­nis­voll für mich sein
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