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1792 - Die Nachtjägerin

1792 - Die Nachtjägerin

Titel: 1792 - Die Nachtjägerin
Autoren: Jason Dark
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immer, auch in der Nacht.
    Der bläuliche Schein erfasste ihn. Er huschte auch an den Scheiben entlang, die rechts von ihm lagen. Vier passierte er. An der fünften blieb er stehen.
    Vor allen Scheiben waren die Vorhänge vorgezogen, nur nicht vor der, hinter der die Tote lag. Darüber wunderte er sich schon, machte sich aber weiterhin keine großen Gedanken. Hinzu kam, dass die Scheibe nicht beschädigt war.
    Er beugte sich nach vorn und schaute nach, was hinter der Scheibe lag. Es war die Tote.
    Es war eine Gestalt, das stimmte schon. Aber es war nicht die Tote, die er erwartet hatte. Die hier sah anders aus. So schrecklich anders. Sie zeigte sich verändert, denn er schaute in das Gesicht einer Greisin.
    Er hatte das Gefühl, dass ihm die Luft genommen wurde. Plötzlich konnte er nicht mehr atmen, und er fühlte sich wie in einer Zentrifuge. Ihn schwindelte und er war froh, sich auf den Beinen halten zu können, als er taumelte und mit dem Rücken und auch dem Hinterkopf gegen die Wand neben dem Fenster prallte.
    Er wusste nicht, was hier geschehen war. Es war ausgeschlossen, dass man die Tote ausgetauscht hatte. Es war immer noch dieselbe Frau, das sah er an ihrer Frisur, die aus einem wilden Lockenwirrwarr bestand.
    Zum Glück hatte ihm die Wand den nötigen Halt gegeben. Sonst wäre er eingeknickt.
    Aber er bekam sich wieder in die Gewalt. Er riss sich zusammen. Ihm war klar, dass er diesen Vorgang nicht auf sich beruhen lassen konnte und durfte. Er musste ihn melden.
    Mit diesem Gedanken und mehr stolpernd als gehend verließ er die Leichenhalle …
    ***
    Welch eine Nacht!
    Das war Irina Darks erster Gedanke, als sie erwachte und sich im schummrigen Schlafzimmer umschaute. Das zeigte ihr, dass es draußen längst hell war, sodass dieser Schimmer durch die Lücken des Rollos fallen konnte.
    Sie hörte sich atmen. Es waren schwer klingende Laute, die da aus ihrem Mund drangen. Sie musste erst mal wieder zu sich selbst finden, bevor sie daran dachte, das Bett zu verlassen und ins Bad zu gehen.
    Noch zitterte sie. Als sie auf ihre Hände schaute, sah sie es überdeutlich. Sie spürte auch die feuchte Schweißschicht auf ihrem Körper. Das kannte sie auch.
    Irina bewegte den Kopf. Die Muskeln an ihrem Hals schmerzten. Sie kannte den Grund nicht. Sie wusste überhaupt wenig, aber sie wusste etwas. In der letzten Nacht war es wieder passiert. Es geschah jetzt immer öfter, und sie fragte sich, wann es auch mal am Tage eintreten würde.
    Und es passierte mit all seiner Gnadenlosigkeit. Es gab keine Rücksicht. Es ließ sich nicht manipulieren. Es schlug einfach zu. Knallhart und brutal eben.
    Sie spürte ihren Herzschlag. Er war ziemlich hoch. Es würde dauern, bis er sich beruhigte und sie sich wieder normal bewegen konnte. Alles musste erst in die Reihe kommen.
    Irina Dark starrte ins Leere. Sie hätte die Zimmertür wahrnehmen müssen, doch das war nicht der Fall. Zwischen dem Bett und ihr selbst hatte sich so etwas wie eine Wand aufgebaut, die das, was sie hätte sehen müssen, verzerrte. Sie sah nichts klar, und das lag allein an dem, was sie in der Nacht erlebt hatte.
    Im Traum!
    Im – nein, sie dachte nach. Das war kein Traum gewesen, sondern eine besondere Realität, die sie nun überfallen hatte. Sie war schlimm, das gab sie auch zu, und sie hätte sich gern weg gewünscht, was wiederum nicht möglich war. Sie musste sich der Realität stellen, obwohl diese für sie nicht akzeptabel war.
    Wie sah sie aus?
    So sehr Irina auch unter ihr litt und über sie nachdachte, sie schaffte es nicht, sich ein konkretes Bild zu verschaffen. Die Erinnerung war vorhanden, aber letztendlich doch nicht da, wenn es um Einzelheiten ging.
    Sie wusste mal wieder nicht, was sie tun sollte. Das war immer so, wenn sie nach den Träumen erwachte, doch an diesem Morgen war es besonders intensiv. Da brauchte sie ihre Zeit, um mit dem Erlebten fertig zu werden.
    Dabei war es doch nur ein Traum gewesen – oder?
    Allmählich überkam sie der Eindruck, dass es doch kein Traum gewesen war.
    Dass sie alles wirklich erlebt haben sollte, konnte sie nicht fassen. Sie hatte das Gefühl gehabt, sie selbst zu sein, aber dann noch eine andere Person, die so etwas Schlimmes erlebte.
    Erinnerungen waren noch vorhanden. Sie tauchten wie Fetzen auf und verschwanden ebenso schnell wieder. Sie sah sich, sie sah einen Friedhof, sie sah eine Leiche und …
    »Nein«, flüsterte sie, »nein, das kann doch nicht wahr sein! Wieso gehe ich – oder wer
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