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1792 - Die Nachtjägerin

1792 - Die Nachtjägerin

Titel: 1792 - Die Nachtjägerin
Autoren: Jason Dark
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es.
    Irina stand etwas versetzt, und sie sah einen nackten Körper. Kein Tuch hing über ihm.
    Im Spiegel malte sich das Grauen ab.
    Ja, für sie war es das Grauen. Ein Phänomen, über das sie nicht hinwegkam. Das einfach nur grauenhaft war. Trotzdem schaffte sie es, zu lächeln.
    Ihr Spiegelbild lächelte auch.
    Und die andere Irina?
    Die lächelte nicht!
    Das war zu viel für Irina Dark. Obwohl sie körperlich nicht angegriffen worden war, fühlte sie sich so, als hätte sie einen heftigen Schlag bekommen.
    Aus ihrem Mund drang ein Seufzer. Danach sackte sie zusammen und blieb auf dem Fliesenboden liegen …
    ***
    »Kannst du mir einen Gefallen tun?«, hatte mich mein alter Freund, Chiefinspektor Tanner, gefragt.
    »Fast jeden.«
    »Gut, dann sollten wir uns mal treffen.«
    »Bei mir oder bei dir?«
    »Nein, an einem neutralen Ort. Ich musste mir einige Tage Urlaub nehmen, hätte ich es nicht getan, hätte ich Ärger bekommen. Ich muss am Nachtmittag mit meiner Frau in die City. Sie will unbedingt etwas einkaufen. Ich soll mit, weil ich dann mal rauskomme, was Quatsch ist, aber ich werde um fünfzehn Uhr in einer dieser Shopping Malls in einem Lokal sitzen und auf dich warten.«
    »Gut, Tanner. Und deine Frau?«
    »Die kauft da immer ein. Die sind wir los. Meistens dauert es bei ihr eine Stunde, bis sie die richtigen Klamotten gefunden hat. Heute sind die Kinder, unsere Nichten und Neffen, an der Reihe. Das lässt sie sich ja nicht nehmen.«
    »Und du musst dann mit?«
    »Ja, aber nur im Urlaub.«
    Ich musste grinsen, wenn ich mir vorstellte, wie Tanner in einem dieser Einkaufszentren hockte und ein Gesicht zog, das man nur schwer beschreiben konnte.
    Ich kannte ihn schon sehr lange und glaubte nicht daran, dass er mich nur eingeladen hatte, um mit mir in einem Shoppingcenter zu plaudern. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass er mich angerufen hatte, um mir ein paar Witze zu erzählen.
    Ich gab meinem Misstrauen freie Bahn und fragte: »Wer oder was steckt denn hinter deiner Einladung?«
    »He, he, ich wollte nur mal …«
    »Ja, ja Tanner. Das kenne ich. Du kannst mir nichts vormachen. Was also steckt dahinter?«
    »Ich muss mit dir sprechen.«
    »Okay. Und worüber? Über einen Fall?«
    Jetzt druckste er herum. »Nun ja, ich weiß selbst nicht, ob es ein Fall ist. Aber ich habe jemandem versprochen, dass ich einer gewissen Sache nachgehen werde.«
    »Fällt es denn in meinen Bereich?«
    »Ich denke schon.«
    »Okay, dann sehen wir uns heute Nachmittag. Jetzt brauche ich nur noch die Adresse.«
    Die bekam ich und versprach, pünktlich zu sein. Als ich den Hörer aus der Hand gelegt hatte, sprach mich Suko, der mir gegenüber saß, an.
    »Das war doch Tanner.«
    »Ja.«
    Er zog seine nächste Frage in die Länge. »So friedlich? Und auch so leise?«
    »Ja, das hat mich auch gewundert.«
    »Dann muss er Probleme haben.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Stimmt, aber ich habe eher das Gefühl, dass es sich um ein privates handelt.«
    »Noch schlimmer.«
    So eng wollte ich das nicht sehen, aber ich war schon gespannt, was Tanner von mir wollte …
    ***
    Irina erwachte, weil ihr kalt war. Die Fliesen, auf denen sie lag, strahlten Kühle aus, die in ihre nackte Haut eindrang und sie erwachen ließ.
    Sie öffnete die Augen.
    Der Blick fiel gegen die Decke. Da sie sich in ihrer Wohnung gut auskannte, wusste sie auch, wo sie lag. Sie stellte fest, dass sie nackt war und das Badetuch nicht ihren ganzen Körper bedeckte, deshalb fror sie auch.
    Irina murmelte etwas vor sich hin und raffte sich auf. Das Badetuch zog sie mit, hängte es über ihre rechte Schulter und hatte jetzt, da sie stand, den freien Blick auf die Spiegelfläche.
    Dort sah sie sich selbst.
    Sie taumelte nach vorn und stützte sich an der Kante des Waschbeckens ab. Ein paar Mal musste sie Luft holen, um sich wieder in Form zu bringen. Dann hatten die Beine wieder einen besseren Stand gefunden, und sie schaute abermals in den Spiegel.
    Sie sah sich.
    Nur ich!, dachte sie.
    Und nicht mehr als weitere Person. Es war der Augenblick der Wahrheit, und sie fing vor Erleichterung an zu schluchzen. Sie hatte es geschafft, sie hatte das Grauen überwunden, der Spiegel zeigte sie wieder normal.
    Aufatmen konnte sie trotzdem nicht. Es war ihr ja nicht gelungen, das Erlebte aus ihrer Erinnerung zu streichen. Es blieb in ihrem Kopf bestehen, und das würde noch lange so bleiben.
    Sie wartete noch gut zwei Minuten, dann verließ sie das Bad und ging zurück in
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