Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1772 - Ein Grab in den Bergen

1772 - Ein Grab in den Bergen

Titel: 1772 - Ein Grab in den Bergen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Besucher aßen und tranken noch, sie waren ja froh über diese Abwechslung. Was mit dem Engel passieren würde, hatte auch keiner gesagt. Ich beschloss, mich bei dem Kurator zu erkundigen. Wenn jemand etwas wusste, dann er.
    Ich tippte Maxine auf die Schulter und sorgte dafür, dass sie den Kopf drehte.
    »Was gibt es, John?«
    »Ach, ich wollte dir nur sagen, dass ich kurz zu dem Engel rüber gehe.«
    »Das ist eine gute Idee.«
    »Was ist mit Krista?«, fragte ich.
    »Sieh selbst.«
    Es ging ihr nicht gut. Wie auch? Sie saß auf dem Hocker neben Maxine und starrte ins Leere. Ihre Lippen bewegten sich, ohne dass sie etwas sagte, und ihre verschwitzte Gesichtshaut war blass wie kaltes Fett.
    »Ich werde auf sie achten, John. Denn ich denke mir, dass auch sie damit rechnet, entführt zu werden.«
    »Davon müssen wir leider ausgehen.«
    »Und was versprichst du dir von diesem Engelbesuch?«
    »Das weiß ich nicht genau.« Ich hob die Schultern. »Es kann sein, dass ich bei ihm auch eine Veränderung erlebe, was mich natürlich freuen würde.«
    »Viel Glück.«
    »Danke.«
    Niemand hielt mich auf, als ich in den Ausstellungsraum ging. Dort hatte sich nichts verändert. Der Engel lag so, wie wir ihn verlassen hatten. Es hatte auch niemand die gläserne Abdeckung weggenommen. Keine Veränderung.
    Ich trat dicht an ihn heran und betrachtete ihn in aller Ruhe. Es war eine Gestalt, von der keine Gefahr ausging. Klar, sie ruhte, aber ich dachte an andere Personen, die auch in einer Ruhelage gefährlich aussahen. Da brauchte ich nur an Vampire zu denken, die auch in einem derartigen Zustand eine Gefahr ausströmten.
    Hier nicht. Dieser Engel war etwas Besonderes. Er hatte ein markantes Gesicht und irgendwelche Bosheiten waren davon nicht abzulesen. Er wirkte entspannt, aber er war trotzdem ein Phänomen, denn er zeigte keine Spuren von Verwesung. Entweder würde der Zustand noch eintreten oder überhaupt nicht. Möglich war in diesem sensationellen Fall alles.
    Ich hätte ihn gern angefasst. Im Weg stand die Glashaube, die ich erst hochheben musste. Sie stand auf der Liege in einer Vertiefung, was auch okay war. Und sie sah nicht so aus, als würde sie dort festgeklemmt sein.
    Ich riskierte es, griff zu, und es gelang mir tatsächlich, die Abdeckung anzuheben. Leicht war sie nicht, und ich sorgte dafür, dass ich sie so schnell wie möglich wieder loswurde. Auf dem Boden stellte ich sie ab.
    Jetzt konnte ich diesen Engel anfassen und ihn untersuchen. Es kam auch keiner, der mich störte. Die Geräusche aus dem Nebenraum klangen nur gedämpft bis zu mir.
    Ich besah mir zuerst das Gesicht und suchte nach Zeichen von Verwesung, aber da war nichts zu erkennen. Die Haut war völlig glatt.
    Dann fasste ich die Gestalt an. Zwei Fingerkuppen drückte ich gegen die Wange und hatte eigentlich die Kälte des Todes erwartet. Das traf nicht zu. Unter meinen Fingerkuppen spürte ich zwar keine heiße Haut, aber eine gewisse Wärme war schon vorhanden, und so konnte man kaum auf den Gedanken kommen, dass diese Gestalt hier wirklich tot war.
    Ich ließ meine Fingerkuppen weiterhin über die Wangen wandern, ohne dass sich etwas änderte.
    Ich stand vor einem Rätsel. Die Berührung hatte mich nicht weitergebracht. Aber ich fragte mich jetzt, ob dieser Engel wirklich tot war.
    Es konnte sein, dass es ein besonderer Tod war. Engel sehen zwar oft aus wie Menschen, aber sie sind keine. Das musste ich mir immer vor Augen halten.
    Ich wollte mir auch die Flügel genauer ansehen und ebenfalls den Körper. Dafür musste ich ihn ein wenig von seiner Kleidung befreien. Man hatte ihm die Sachen gelassen, in denen er gefunden worden war. Er trug sogar noch seine Schuhe. Das Hemd wollte ich ihm aus der Hose ziehen, als ich erneut etwas spürte, aber nicht zu Gesicht bekam.
    Es war wieder das Flair des anderen, des Unsichtbaren. Ich sah nichts, aber ich wusste, dass ich nicht mehr allein war, und ich dachte wieder an die Gestalt mit dem Schlapphut, die sich allerdings nicht zeigte. Zumindest nicht in seiner menschlichen Gestalt.
    Aber die Botschaft erreichte mich aus dem Unsichtbaren, aus der anderen Sphäre. Ich spürte das Kribbeln auf dem Rücken, das sich in eine Gänsehaut verwandelte, und schaute mich um.
    Es gab nichts zu sehen, und auch mein Kreuz schickte mir keine Warnung mehr.
    Was ging hier vor?
    Ich wusste es nicht. Alles blieb beim Alten. Und doch gab es die Veränderung, die ich genau spürte. Man hielt mich unter Kontrolle. Man beobachtete
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher