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176 - Insel der Fledermäuse

176 - Insel der Fledermäuse

Titel: 176 - Insel der Fledermäuse
Autoren: Michael M. Thurner
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von ihrer Fleischsucht befreit haben, werden die Mooken keine Ruhe finden.«
    Yngve machte eine resignierte Handbewegung. Er gab sich mit der Rolle des Stichwortgebers zufrieden. Wenn Frauen einmal ins Erzählen kamen, tat man gut daran, sie nicht zu unterbrechen, so hatte er es in seiner Heimat gelernt. »Also gut«, sagte er, »was passiert nun weiter?«
    »Wir müssen rasch handeln, wenn wir die Hydriten zu unseren Bedingungen bekämpfen wollen. Dazu brauchen wir die Mooken.«
    »Wo ist eigentlich Chaang geblieben?«
    »Dass du jetzt erst nach ihm fragst?« Aruula lächelte.
    »Ich schickte ihn denselben Weg zurück, den wir hinauf genommen hatten. Dort oben konnte er mir nicht helfen. Wenn ich gescheitert wäre, hätte er zumindest seinem Stamm berichten können, wo sich das Lager der Batangs befindet und wer hinter ihnen steckt.«
    »Und wo ist er jetzt?«
    »Dort unten, im Offenen Kreis. Bei seinen Ahnen. Er wird dort bis zum höchsten Sonnenstand bleiben, beten und auf uns warten.«
    9.
    Hang'el durchkreuzte mit energischen, fast wütenden Flossenschlägen das Relikt der Oberflächenbewohner aus einer anderen Zeit. Das eiserne Schiff wirkte martialisch mit all seinen genieteten Bodenflächen, den eckigen Vorbauten und den vielen Rohren. Irgendwie war es ihm und seinen Leuten als geeigneter Unterschlupf erschienen, nachdem sie die Siedlung der Planktonfresser verlassen hatten.
    Wo, bei Mar'os, blieb denn nur Zorast'er? Er hätte längst mit seinen Tieren zurück sein müssen. Er gierte nach Nahrung, nach Fleisch, nach Blut, nach…
    Hang'el hielt sich an einer Strebe fest, klopfte wie wild gegen das nahezu durchgerostete Metall. Er durfte jetzt bloß nicht den Kopf verlieren!
    Langsam ließ er sich treiben, tiefer hinab in den Schiffsrumpf, schmale Gänge entlang, bis er jene Kabine erreichte, in der einstmals der Menschenkapitän des Schiffs gelebt hatte. Längst waren Tisch, Stuhl und Bettgerüst überwachsen, die einstmals so harten und glatten Strukturen nur noch ansatzweise unter Muscheln, Schlick und Tang zu erkennen. Hier drinnen, in diesem winzigen Gefängnis, würde er sich dazu zwingen, wieder zu klarem Verstand zu kommen.
    Sie fühlten sich hier keineswegs heimisch. Mar'os-Jünger fühlten sich nirgendwo heimisch. Sie jagten, sie töteten, sie zogen weiter. Doch zuerst galt es, diesen Teil des Ozeans abzuernten …
    Hang'el schloss und öffnete seine Kiemen. Bewusst achtete er auf seine Atmung und darauf, dass sich sein Metabolismus beruhigte.
    Die Stiche in seinem Magen, die er seit vielen Stunden verspürte, setzten sich schmerzhaft nach oben fort. Es war, als gäbe es eine direkte Verbindung zwischen Bauch und Kopf, als wäre sein Denken von seinem Sättigungsgrad abhängig.
    Und wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, dann stimmte das sogar.
    Der Fleischgeschmack des Meeresgetiers war nichts, gar nichts im Vergleich zu dem der Landlebewesen, die sie sich von der Oberfläche hier herab bringen ließen.
    Ihnen haftete eine ganz besondere Note an; ein Odeur, das sich mit nichts vergleichen ließ und weit über die Gefühle sexueller Ekstase zu stellen war. An der Spitze all dessen, was Hang'el jemals zu sich genommen hatte, lag das Fleisch der Menschen. Sein Herz raste, seine Kiemen öffneten und schlossen sich in wahnwitzigem Rhythmus, sobald er nur daran dachte, seine Zähne in das Bein oder den Arm eines Menschen schlagen zu dürfen.
    Die Flügelsäuger, die sie mit bionetischen Steuerungsschichten überzogen hatten, waren bislang von großer Hilfe gewesen. Einerseits waren sie gnadenlose Jäger, andererseits lenkten sie jeglichen Verdacht auf andere Landlebewesen. Niemand brauchte die Existenz der Hydriten auch nur zu erahnen.
    Hang'el war schlau. Er unterschätzte die Hydriten der alten Kolonie keinesfalls. Die Planktonfresser achteten sehr wohl auf das, was rings um sie geschah. Sie hatten die Mooken stets mit einem wohlwollenden Auge betrachtet, da sie das natürliche Gleichgewicht auf und unterhalb der Meeresoberfläche mehr als alle anderen Menschen dieses Planeten schätzten.
    Seine Gedanken verwirrten sich; alles drehte sich um ihn. Hang'el wusste nicht mehr, wo oben und unten war.
    »Fleisch!«, klackte er.
    Er wusste, dass er süchtig war. Er wusste, dass ihn sein Verlangen in immer kürzer werdenden Abständen überkam. Er wusste, dass der Schmerz in seinem Magen niemals mehr nachlassen würde. Er wusste, dass sein Körper allmählich von den ekstatischen Gefühlen zerstört
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