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1744 - Der lebende Alptraum

1744 - Der lebende Alptraum

Titel: 1744 - Der lebende Alptraum
Autoren: Jason Dark
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Gitarrenakkord übertönt, der jetzt zu hören war. Lauter als die ersten beiden Botschaften.
    Die Fans waren von nun an uninteressant für uns geworden, jetzt ging es um ihn.
    Als wir uns umdrehten, hörten wir Archie Goldings Schrei. Er hatte Azur als Erster gesehen, der sich aus einem grellen, feurigen Blitz hervorschälte.
    Es war keine Täuschung.
    Azur war tatsächlich auf der Insel eingetroffen...
    ***
    Er stand eine gute Schussweite von uns entfernt. Obwohl es finster war, sahen wir ihn deutlich, denn er war von einem geheimnisvollen und auch kalt wirkenden Lichtschleier umgeben, der aussah wie gespeichertes Mondlicht.
    Ich kannte ihn ja. Er hatte sich nicht verändert, was sein Outfit anging. Sein gelblicher Totenschädel war an ihm am prägnantesten. Noch immer war er von der dunklen Haarflut umgeben, die auch eine Perücke hätte sein können. Aus den Ärmeln schauten die Knochenhände hervor, die jetzt sein Instrument umklammerten. Es war sein Spielzeug und seine Waffe zugleich, denn eine andere sahen wir nicht.
    Er tat nichts.
    Er stand einfach nur da.
    Hätte er sich in Bewegung gesetzt, wäre er auf das Ufer zugelaufen, wo wir angelegt hatten und auch seine Fans bald anlegen würden. Sie kamen mit ihren vollen Booten allerdings langsamer voran, als es bei uns der Fall gewesen war.
    Seine Gitarre hielt er im Anschlag, und er hämmerte wieder einen harten Akkord.
    Diesmal traf er uns voll. Das Echo dröhnte in unseren Ohren.
    Das Knochengesicht blieb unbeweglich. Auch der Körper behielt seine Starre bei, und ich merkte, dass von ihm eine böse Aura abstrahlte, denn als ich nach meinem Kreuz tastete, war die leichte Erwärmung zu spüren.
    Suko war Realist. Er wollte die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen.
    »Wie machen wir es?«, fragte er.
    »Nimmst du die Peitsche?«
    »Kann ich machen. Und du?«
    »Das Kreuz. Ich will es erst gar nicht mit einer Silberkugel versuchen.«
    Mehr hätte ich nicht sagen können, denn genau in dieser Sekunde begann Azur mit seinem höllischen Spiel...
    ***
    Die Bezeichnung war nicht verkehrt. Es war ein Spiel, das nur aus der Hölle kommen konnte. Als Musik sah ich es nicht an. Für mich war es eine Folter der Ohren.
    Er malträtierte die Gitarrensaiten mit seinen Skelettfingern, und wir konnten erkennen, dass zwischen den schnell hintereinander folgenden Anschlägen scharfe Blitze zuckten, die ihn umgaben und sichtbar werden ließen.
    So war er auch für seine Fans zu sehen, deren Schreien und Johlen uns nicht verborgen blieb.
    Er spielte seine Melodie, die unseren Ohren wehtat. Die Musik war wie eine Wand, die uns stoppte. Wir hatten uns vorgenommen, ihn aufzuhalten, aber wir waren bisher keinen Schritt weiter gekommen. Dieser Horror aus Klängen malträtierte unsere Ohren, als wollte Azur dafür sorgen, dass unser Denken ausgeschaltet wurde.
    Das war bei Archie Golding nicht so. Er hörte die Klänge und fing an zu tanzen. Dass seine Hände gefesselt waren, machte ihm nichts aus, er hüpfte auf der Stelle und hatte seine Arme in die Höhe gerissen. Sein Gesichtsausdruck zeigte Verzückung.
    Wir wussten nicht, ob wir uns um ihn kümmern sollten. Wichtig war ja Azur selbst, dessen Totenschädel starr blieb.
    Nach dem ersten Akkord waren nur Sekunden vergangen, in dem wir das alles erlebten und auch darüber reflektieren konnten. Jetzt hatten wir uns daran gewöhnt und waren bereit, ihn gemeinsam anzugreifen. Suko würde die Peitsche nehmen, ich wollte mich auf mein Kreuz verlassen.
    Doch es kam anders.
    Das lag an Archie Golding, der genug davon hatte, sich seinen Götzen aus der Entfernung anzusehen. Er wollte zu ihm. Es war ihm egal, ob seine Hände gefesselt waren. Er musste zu ihm, er wollte ihn anfassen, und sein Schrei war so laut, dass er sogar die Klänge der Gitarre übertönte.
    Und dann rannte er.
    Suko und ich hatten keine Chance, ihn zurückzuhalten. Er war zu nahe dran, und er war einfach zu schnell. Trotz der gefesselten Hände hielt er sich auf den Beinen, auch wenn er schwankend lief.
    Azur nahm von ihm keine Notiz. Er spielte weiter, als wollte er die Saiten seiner Gitarre sprengen. Dabei blieb er stehen wie ein Felsblock, und wir schauten nun zu, was zwischen ihm und Archie Golding geschah.
    Der Fan hatte ihn erreicht.
    Er war kleiner als Azur, und er warf seine Arme in die Höhe, bevor er seinen Körper nach vorn warf. Er wollte gegen seinen Meister fallen, doch er erwischte nur das Instrument. Seine Hände prallten dagegen, sein Kopf
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