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1744 - Der lebende Alptraum

1744 - Der lebende Alptraum

Titel: 1744 - Der lebende Alptraum
Autoren: Jason Dark
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konnte nichts tun, weil die andere Seite zu stark war. Sie würde auch keine Chance haben, wenn sie den Mann angriff. Eventuell konnte sie einen Aufschub herausholen, das war alles. Und John Sinclair befand sich nicht mehr in der Nähe.
    Was tun?
    Sie zerbrach sich den Kopf. Ihre Gedanken flirrten. Und plötzlich hatte sie so etwas wie eine Eingebung. Als hätte ihr ein guter Engel einen Ratschlag gegeben.
    Ihre Gedanken glitten in die Vergangenheit, bis sie in der Kindheit gelandet waren. Alles geschah innerhalb einer winzigen Zeitspanne. Sie sah sich wieder als kleines Mädchen, und sie sah auch ihre Mutter, die ihr so viel beigebracht hatte, unter anderem das Beten.
    »Es wird dir in schweren Zeiten immer Kraft geben. Denk daran, dass es jemanden gibt, der dich immer beschützt und es gut mit dir meint. Du kannst auch mit ihm sprechen.«
    Genau das stand ihr jetzt wieder vor Augen. Die Erinnerung war nun so stark, dass sie sie nicht mehr zur Seite schieben konnte. Sie betete, und die Worte drangen wie von einem Automat gesprochen über ihre Lippen.
    »Vater unser, der du bist im Himmel...«
    Der böse Engel stand noch immer in seiner Schlaghaltung. Er suchte nach einem Ziel, und wahrscheinlich wollte er den Kopf des Mannes mit einem Schlag zertrümmern.
    Er hob die Gitarre noch ein wenig an.
    Da hörte er die ersten Worte.
    Ein Zittern rann durch seine Gestalt. Aus seinem Maul drang so etwas wie ein Röhren, das von einem Fauchen begleitet wurde. Er schaffte es noch, sich auf die Zehenspitzen zu stellen, und Monica, die ihn beim Beten beobachtete, rechnete damit, dass er zuschlagen würde, deshalb sprach sie noch schneller und lauter. Sie war sogar schon dabei, das Gebet zu wiederholen.
    Azur hielt seine Ohren nicht zu. Er hörte alles. Er musste als böser Engel das Gebet einfach hassen. Es quälte ihn, dennoch bewegte er seine Arme.
    Monica befürchtete das Schlimmste.
    Es trat nicht ein. Die Worte waren so stark, dass sie den bösen Engel verunsicherten und auch schwächten. Er schrie auf, er sackte zusammen, er drehte sich um, und er schlug nicht zu. Er taumelte zur Seite, die Gitarre, die zu einem Mordinstrument hatte werden sollen, sackte nach unten, schlug sogar gegen den Boden, und eine Saite gab einen dumpfen Ton ab, der den bösen Engel auf seiner Flucht aus dem Zimmer begleitete.
    Monica Brown drehte den Kopf. Sie blickte ihm nach. Begreifen oder fassen konnte sie die Szene nicht, und sie betete weiter, bis sie merkte, dass ihre Worte leiser wurden und sich ihre Kehle wie ausgetrocknet anfühlte.
    Dann verstummte sie, schöpfte Atem und drehte ihren Kopf, damit sie Elton anschauen konnte.
    Der lag noch immer auf dem Fußboden. Er hatte seine Haltung verändert, sich auf die linke Seite gedreht und sich dabei ein wenig aufgestützt. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck des Nichtverstehens. Er konnte einfach nicht fassen, was ihm widerfahren war. Er versuchte es und bewegte den Mund, ohne dass jedoch ein lautes Wort über seine Lippen drang.
    Dafür sprach seine Frau. Leise und stockend. Sie wirkte erleichtert, aber sie erinnerte auch an einen Menschen, der dicht vor dem Weinen stand.
    »Wir haben es geschafft, Elton. Wir haben es geschafft. Er – er – ist weg.«
    Elton nickte. Doch in seinen Augen stand ein Ausdruck, der besagte, dass er nichts begriff.
    Monica Brown stand auf. Sie wollte ihren Mann nicht mehr am Boden liegen sehen. Es sah zu sehr nach einer Niederlage aus. Aber das war es nicht gewesen. Sie hatten einen Sieg davon getragen, und dafür gesorgt hatte das Gebet.
    »Ist er weg?«, flüsterte Elton.
    Monica streckte ihrem Mann die Hand entgegen. »Ja, er ist verschwunden.«
    »Wohin?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    Elton nahm die Unterstützung gern entgegen. Er half auch mit, wieder in die Senkrechte zu gelangen. Nur blieb er nicht stehen. Er ließ sich auf die Couch fallen, und Monica sah, wie er zitterte.
    »Es war knapp, nicht?«
    »Ja, Elton.«
    Er wischte über seine Stirn, bevor er sagte: »Es kam mir alles wie ein Traum vor. Ja, wie ein Traum. Ich weiß auch nicht, aber ich hatte bereits mit dem Leben abgeschlossen.« Er schaute sie an. »Und du hast mich gerettet.«
    »Nein, nicht nur ich.« Sie schaute auf ihre Hände und lächelte schwach. »Es waren die Worte des Gebets, die dich gerettet haben. Nur sie, Elton.«
    »Ja, das weiß ich jetzt, dann kann ich wohl einen zweiten Geburtstag feiern – oder?«
    »Wenn du willst, aber ich muss dir auch sagen, dass Azur noch existiert.
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