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1730 - Das Schlangengrab

1730 - Das Schlangengrab

Titel: 1730 - Das Schlangengrab
Autoren: Jason Dark
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erreichte.
    Ich hatte mir die beiden Figuren filigraner vorgestellt. Sie kamen mir jetzt recht plump vor. Die Frau mit ihrem freien Oberkörper saß etwas erhöht. Sie schaute nach unten auf eine andere Figur, dem König, von dem allerdings nur der Oberkörper zu sehen war, auf die weiteren Teile hatte man verzichtet. Die weibliche Person war erhöht worden, und das passte zu der Göttin Kali, die als Herrin der Zeit und Göttin des Todes angesehen wurde.
    Beide Figuren saßen auf einer ebenfalls vergoldeten Platte, die noch eine Rückwand hatte. Nur die goldene Schlange war nicht zu sehen, und darauf sprach ich meinen indischen Freund flüsternd an.
    Er gab mir auch eine Antwort. »Ich hatte es dir schon gesagt, John. Sie ist da, auch wenn du sie nicht siehst. Das müssen wir beide schon akzeptieren.«
    Ich ließ es dabei bewenden und konzentrierte mich stattdessen auf die kniende Gestalt. Es war ein Mann, und selbst in diesem nicht besonders starken Licht fiel auf, dass sein Haar im Laufe der Jahre grau geworden war.
    Der Professor musste voll und ganz in seiner eigenen Andacht versunken sein. Er nahm nichts anderes wahr und kam auch nicht auf den Gedanken, sich umzudrehen. Allerdings hörten wir ihn auch nicht sprechen.
    Ich schaute Mandra an, der mir zunickte und dann auf den einsamen Mann wies. »Er wird uns mehr über die Schlange sagen können, ich glaube fest daran, dass er sie gesehen haben muss.«
    »Redest du mit ihm?«
    »Mache ich.«
    Wir hatten nicht weit zu gehen. Dicht hinter ihm blieben wir stehen. Jetzt war er auch zu hören, aber er sprach so leise, dass selbst Mandra Korab ihn nicht verstand. Er allerdings redete lauter, und er sagte nur einen Satz.
    »Guten Abend, Professor…«
    Es passierte nicht viel. Aber der Mann hatte Mandra gehört, denn er sprach nicht mehr weiter. Einige Sekunden lang blieb er sitzen und schien nur zu lauschen.
    »Haben Sie mich nicht gehört, Professor?«
    Ja, das hatte er, auch wenn er als Antwort nur ein Stöhnen von sich gab. Dann drehte er sich langsam um, und wir sahen jede seiner Bewegungen. Es war normal, und doch war es wenig später nicht mehr normal, denn da hatte er sich umgedreht, und wir schauten in sein Gesicht.
    Es glänzte golden!
    ***
    Er also auch!, schoss es mir durch den Kopf. Ich hätte es mir eigentlich denken können, aber ich dachte nicht mehr weiter, sondern überließ Mandra Korab das Feld und wich etwas von ihm zurück, damit er Bewegungsfreiheit hatte.
    Die beiden so unterschiedlichen Männer mit den ebenfalls unterschiedlichen Gesichtern schauten sich an.
    Das Gesicht des Professors sah schlimm aus. Goldmasken kannte man von Veranstaltungen im Karneval in bestimmten Gegenden, auch Kinder wurden golden geschminkt. Vielleicht lag es auch am Alter des Mannes, dass er so schaurig aussah. Lächerlich und schaurig zugleich.
    »Sie kennen mich, Professor?«
    »Ja, ich weiß, wer Sie sind, Landsmann.« Nach mir fragte er nicht, und ich sah auch keinen Grund, mich ihm gegenüber vorzustellen.
    »Das ist gut. Dann wissen Sie auch, was ich möchte.«
    Der Ethnologe lachte kichernd. »Sind auch Sie ein heimlicher Verehrer der Göttin?«
    »Wen meinen Sie? Die Schlange?«
    »Ja, auch. Aber ich kenne sie unter dem Namen Kali. Man liebt sie noch immer, das weiß ich. Ich kenne zahlreiche Menschen, die zu ihr beten und sich von ihr die nötige Stärke für das Leben wünschen. Das ist auch bei mir so. Ich habe mich wieder auf die alten Gesetze und Regeln besonnen. Ich gebe hier eine Ausstellung, und ich weiß, dass ich nicht allein bin. Viele Diener werden kommen und ihr huldigen.«
    »Aber wo ist die Schlange?«, fragte Mandra. »Sie ist doch angeblich ein Teil der Göttin. Sie war an ihrer Seite und sie…«
    Der Professor antwortete mit einem scharfen Lachen. »Die Schlange ist da, sie ist immer da. Schaut mich an. Sie hat mich gezeichnet. Sie ist zu mir gekommen, und sie hat die Verbindung zur Göttin Kali geschaffen.«
    Mandra schüttelte den Kopf. »Aber Sie wollten doch, dass nichts so schnell bekannt wird. Wie ist es zu Ihrem Sinneswandel gekommen, Professor?«
    »Es war die Schlange. Sie ist mir erschienen. Sie gehört zu diesem Grab. Der König, die Königin und sie. Die weltliche Macht und das Zeichen der Göttin. Nur so ist das Bild perfekt. Ich habe es zunächst auch nicht wahrhaben wollen, jetzt hat man mich eines Besseren belehrt, und ich bin froh, dass man mir das Schlangengrab für die Ausstellung überlassen hat.«
    Ich mischte mich mit
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