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1715 - Gewächs des Grauens

1715 - Gewächs des Grauens

Titel: 1715 - Gewächs des Grauens
Autoren: Jason Dark
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und ihn überwunden. Es ist ein Wunder, und wir dürfen dabei sein. Wir gehören zu ihm, wir haben ihm eine neue Heimat gegeben.«
    Da konnte er recht haben. Auch ich ließ die Ikone nicht aus den Augen. Die Veränderung setzte sich fort. Immer mehr Haut löste sich ab, aber es waren nicht die blanken Knochen zu sehen, wie es eigentlich hätte sein müssen, denn unter der ersten Haut – der normalen – befand sich noch eine zweite, die jetzt zum Vorschein kam, wobei sich bei diesem Vorgang auch die Lippen auflösten.
    Ein weißgraues Gebiss war zu sehen. Ich schaute ein wenig höher und sah die Nase, die noch vorhanden war, aber nicht mehr lange so blieb, denn vorn löste sich ein Teil ab.
    Die Augen gab es auch noch. Ich konnte mich allerdings nicht mehr daran genau erinnern, wie sie ausgesehen hatten. Jetzt jedenfalls nahmen sie ein anderes Aussehen an, und es wirkte so, als wäre hinter ihnen eine Lampe eingeschaltet worden, deren gelbliches Licht sich in den Augen sammelte, sodass sie sich von dem übrigen Gesicht abhoben.
    Isidor hatte sich zu dem verwandelt, was die Hölle oder der Teufel gewollt hatte. Wer so aussah wie er, war auch der perfekte Diener.
    Was würde weiterhin geschehen? Darauf war ich echt gespannt, denn ich hatte ja erlebt, wie sich Jane Collins verändert hatte. Mir war dabei nichts geschehen, denn mein Kreuz hatte mich geschützt.
    Nein, das Ende war noch nicht erreicht. Wie aus dem Nichts entstand weißer Nebel, der sich vor dem Bild ausbreitete. Er blieb zwischen dem Altar und dem Triptychon, und aus dem Nebel formte sich in der Luft so etwas wie eine feinstoffliche Gestalt.
    Das war er. Das war der Geist dieses Mystikers. Die Hölle hatte nicht nur das Bild verändert, sie hatte auch den Geist freigegeben, der sich jetzt hin und her bewegte, aber stets in der Nähe der drei Männer blieb, als wollte er mit ihnen kommunizieren.
    Meiner Ansicht nach konnte das nicht gut gehen. Aber ich wartete ab und dachte dabei an Rasputins Erben. Ich war mir sicher, dass dieser Gogol dazugehörte.
    Der Geist verband sich wieder mit den hauchdünnen Schwaden. Gemeinsam tanzten sie zwischen der Ikone und den drei Männern hin und her. Deutlich war zu sehen, dass sie nicht an ihnen vorbeiglitten, sondern sie berührten. Und das überall am Körper, auch in den Gesichtern, als wollten sie in die Poren eindringen.
    Hatten sich die Männer zu viel vorgenommen? Hatten sie nicht damit gerechnet, dass die Hölle oder deren Kräfte immer ihren eigenen Weg gingen?
    Beinahe sah es so aus, und ich war mir sogar sicher, ein großes Finale zu erleben, im dem die Hölle Regie führte.
    Die drei Männer standen zwar noch auf den Beinen, aber sie wirkten nicht mehr normal. Sie bewegten sich auf eine seltsame Art und Weise.
    Gogol starrte auf die Ikone. Er stand noch, aber sein Oberkörper schwang leicht vor und zurück, als hätte ihn eine unbekannte Kraft in eine Pendelbewegung versetzt.
    Seinen Kumpanen erging es nicht anders. Auch sie bewegten sich seltsam. Sie traten auf der Stelle, ihre Oberkörper schwangen seitlich hin und her. Alle drei Männer sahen so aus, als hätten sie die Kontrolle über sich verloren.
    Das war nicht nur seltsam, das war für mich sogar unverständlich. Es sei denn, der Geist aus der Ikone hatte die Kontrolle über die drei Männer gewonnen.
    Sollten sie auf das falsche Pferd gesetzt haben?
    Allmählich kam mir dieser Gedanke. Ich ging zudem davon aus, dass dieses schon makabere Spiel noch nicht vorbei und der Höhepunkt noch nicht erreicht war.
    Dann geschah es.
    Ohne dass ich einen Befehl gehört hätte, standen die drei Männer plötzlich still. Wenn man so wollte, bildeten sie ein Dreieck. Sie schauten sich gegenseitig an und wurden von zwei Seiten her beobachtet. Einmal von der Fratze auf der Ikone und zum anderen von mir, der ich noch immer geschützt halb hinter der Säule stand. Sie hätten mich sehen können, aber sie hatten keinen Blick für mich und sahen deshalb auch nicht das Kreuz, das ich außen vor meine Brust gehängt hatte.
    Der Nebel war noch immer da. Er hatte sich nur verteilt und schwebte nun um die Köpfe der drei Männer herum.
    Gogol unterbrach das Schweigen. Er schüttelte den Kopf und schrie seinen Leuten etwas zu. Dann griff er unter seine Jacke und holte einen Revolver hervor, dessen Trommel matt glänzte.
    »He!«, schrie er.
    Beide schauten ihn an.
    Gogol lachte.
    Und dann schoss er!
    ***
    Nein, ich befand mich nicht im falschen Film. Was ich hier zu sehen
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