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1705 - Auf der Welt der Kristalle

Titel: 1705 - Auf der Welt der Kristalle
Autoren: Unbekannt
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Manöver, das auf allen bewohnten Welten - aus gutem Grund - streng verboten war. Er drückte die ATLANTIS nach unten, in die Stratosphäre Thyssans hinein.
    „Schirmfelder aktivieren!" befahl er. Seine Stimme klang ruhig und gelassen, fast schon amüsiert von dem Kitzel dieses Manövers.
    „Jetzt werden wir sehen, was ihr könnt", stieß Aktet Pfest hervor. Er lächelte erneut. „Und die Mannschaft der ODIN wird garantiert aufwachen und wissen, daß wir da sind."
     
    7.
     
    „Nein, nicht ... Bitte nicht! Carl! Carl!"
    Boro Shufman faßte die junge Frau am Arm. Er packte erheblich fester zu, als er eigentlich wollte. Der Schmerz seines Zugriffs sollte den Kreislauf des Denkens und Redens aufbrechen, in den sich Tonya Cinistrella geflüchtet hatte.
    „Er kann dich nicht hören", sagte Boro Shufman rauh. „Und garantiert auch nicht sehen."
    „Aber er lebt!" jammerte Tonya. „Sein Herz, es schlägt noch ..."
    Noch, dachte Boro Shufman. Aber nicht mehr lange ...
    Carl Liramm lag auf dem Rücken, steif wie ein Brett. Es war schnell gegangen, nachdem es erst einmal angefangen hatte. Zuerst die Muskelzuckungen und -ausfälle, die unwillkürlichen Bewegungen, die Blackouts, das Verdrehen der Augen, das Lallen und Sabbern. Und an nichts davon konnte der Patient sich erinnern, wenn er wieder zu sich kam. Aber dann fielen auch die inneren Funktionen aus: Verdauung, Kreislauf, innere Sekretion. Auch hier deckte eine vollständige Amnesie alles zu.
    Immer schneller folgten die Anfälle aufeinander. Es war gewissermaßen wie bei einer defekten Syntronik, die sich selbst zu reparieren versuchte - mal lief das Gerät, mal tauchte es in Fehlfunktionen ab. Aber da die Reparaturversuche ebenfalls gestört waren, wurden die Intervalle zwischen den einzelnen Schüben immer kürzer.
    Carl Liramm konnte nicht einmal mehr künstlich ernährt werden. Seine gesamte Verdauung arbeitete nicht mehr. Galle, Bauchspeicheldrüse, Darm - alle seine inneren Organe hatten ihre Tätigkeit eingeschränkt.
    Magkue hatte es bei den ersten Opfern versucht, aber es war mißlungen. Nicht einmal mit künstlicher Beatmung oder mit einem syntrongestützten künstlichen Blutkreislauf war den Patienten mehr zu helfen gewesen. Es war, als sei die gesamte Biochemie zusammengebrochen, als seien die Gesetze und Regeln, nach denen Enzyme arbeiteten und Hormone wirkten, nach denen sich Eiweiße bildeten und Fett verdaut wurde, als seien eben diese Regeln weggeschmolzen wie Schnee unter heißer Sonne, und wo keine Regeln mehr waren, konnte auch nichts mehr funktionieren.
    Auch bei Carl Liramm war es so. Tonya hielt seine Hand und weinte verzweifelt, und irgendwann, in ein paar Minuten, erlosch der Schlag des Herzens, wie man ihn an der Halsschlagader von Carl Liramm sehen konnte. Das war alles. Kein Lärm, kein Todeskampf, nur ein mattes Erlöschen, beiläufig und belanglos.
    Tonyas Kopf zuckte nach rechts und links.
    Boro Shufman packte die junge Frau und stellte sie auf die Beine. Gut so. Er brauchte sie jetzt nur wegzuführen, irgendwohin, bis der Anfall sich verlaufen hatte. Danach würde sie ihn vergessen haben und auch, daß Carl Liramm vor ihren Augen gestorben war.
    Gestorben wie mehr als siebzig andere. Ihre Leichen waren an Bord der ODIN gebracht worden. Die Kühlkammern funktionierten erstaunlicherweise. Dort konnten die Körper verwahrt werden, bis ...
    Es gab kaum noch jemanden, der sich ernsthaft Gedanken machte über dieses „bis ..."
    Es gab kein Ereignis mehr, auf das man warten konnte. Es war zu spät, die Menschen hatten die Hoffnung verloren. 45 Tage waren vergangen, seit sie mit der ODIN in Moiras Heimat vorgestoßen waren, knapp eineinhalb Monate - verglichen mit den dreieinhalb Jahren, die der Anflug an die Große Leere gedauert hatte, war das eine Kleinigkeit.
    Boro Shufman half Tonya Cinistrella, sich zu setzen. Ihr Verstand klarte langsam auf. Sie starrte Shufman an, aus tränenblinden Augen.
    „Er ist tot, nicht wahr? Carl ist tot." Boro nickte knapp. Tonya weinte und schniefte, dann versuchte sie sich zu beruhigen und ihre Fassung wiederzugewinnen. Vergeblich.
    „Warum?" fragte Tonya und starrte ins Leere. „Warum mußte er sterben? Warum Carl. Er ist so ein gütiger Mensch, so warm und freundlich. Warum mußte er sterben? Warum er, warum nicht jemand anders, jemand, den keiner vermißt?"
    Warum nicht Boro Shufinan? Sie hatte es nicht gesagt, nicht einmal bewußt gedacht, aber ihr Blick und ihre Geste waren deutlich. Es war
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