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17 - Das Konzil der Verdammten

17 - Das Konzil der Verdammten

Titel: 17 - Das Konzil der Verdammten
Autoren: Peter Tremayne
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herrschte ohrenbetäubender Lärm, doch Ebroin schaffte Ordnung. Er trat vor und stieß seinen Amtsstab kräftig auf den Steinfußboden.
»Ruhe!«, gebot er. »Ruhe! Huldigt eurem Herrscher Chlothar, dem dritten seines Namens, der das Haus der Merowinger regiert. Heil dir, Chlothar! Heil unserem rechtmäßigen König!«
Es gelang ihm, die Menge zu beschwichtigen. Er bedeutete seinen Leuten, alle Ausgänge zu sichern. Nicht ohne Genugtuung wandte er sich dann Bischof Leodegar zu. »Mit deiner Erlaubnis werden wir die Holzwand dort entfernen, die die Frauen von uns trennt. Ich gehe gewiss sicher in der Annahme, dass Gräfin Beretrude sich ebenfalls unter die Gemeinde mischen möchte.«
Ohne Bischof Leodegars Zustimmung abzuwarten, winkte er einigen Kriegern zu, die sich rasch ans Werk machten und die Holzgitter abbauten. Gemurmel aus der Menge begleitete ihre Arbeit. Beretrude hatte sich nicht vom Fleck gerührt, das Gesicht eine verzerrte Maske und kreidebleich, neben ihr Äbtissin Audofleda mit gesenktem Kopf.
Der junge König stand mit ineinander verschränkten Armen vor dem Hochaltar und schaute ernst auf die Versammelten. Einer nach dem anderen fiel in erwartungsvolles Schweigen. Schließlich drehte er sich zu Bischof Leodegar um.
»Ein Stuhl wäre mir höchst willkommen, Bischof. Wir dürften eine Menge zu hören bekommen, und ich bin seit etlichen Stunden auf den Beinen.«
Geflissentlich schaffte Bruder Chilperic einen Stuhl herbei und stellte ihn so vor den Altar, dass der König sich der Gemeinde zugewandt setzen konnte.
»Wir werden im Folgenden bei Latein als unserer lingua franca bleiben, zumal allen hier Versammelten diese Sprache nicht fremd ist«, verkündete er. »Bist du bereit, mit deinen Ausführungen zu beginnen, Fidelma von Cashel?«
Fidelma trat einen Schritt vor, verneigte sich kurz vor Chlothar und wandte sich der Gemeinde zu. »Ich bin bereit, Majestät«, erwiderte sie und flüsterte Eadulf, der nicht weit von ihr entfent stand, zu: »Gut gemacht. Du siehst, dem Wagemutigen steht das Glück zur Seite.«
»Ich halte es mehr mit einem anderen Spruch: ›Der richtige Zeitpunkt macht Geschichte‹«, entgegnete er lakonisch.
Rasch raunte sie noch Bruder Sigeric, der sich neben Eadulf eingereiht hatte, ins Ohr: »Du kannst dich zu Valretrade stellen.«
Freudig tat der junge Mann, wie ihm geheißen; Valretrade und Sigeric fassten sich bei den Händen, und ihre strahlenden Gesichter waren beredtes Zeugnis ihrer inneren Bewegung.
»Nimm das Wort, Fidelma«, forderte der König sie auf.
In all den Jahren, in denen Fidelma ihre Fälle vor den Brehons der fünf Königreiche hatte darlegen müssen, hatte sie einiges über Rhetorik gelernt. Mit leicht gesenktem Kopf stand sie schweigend da und wartete, bis in der Kapelle absolute Stille herrschte. Dann begann sie mit leiser Stimme und wurde langsam und mit Bedacht laut und deutlich.
»Ich kam an diesen Ort, um einem Konzil beizuwohnen. Ich tat das auf Geheiß des Abts und obersten Bischofs in meines Bruders Königreich Muman, das eines der fünf Königreiche des Landes ist, das ihr Hibernia nennt. Ich sollte Abt Ségdae als Ratgeberin zur Seite stehen, soweit die im Konzil zu erörternden Fragen Gesetze unseres Landes berührten. Begleitet wurde ich von Bruder Eadulf, meinem Ehemann, der in meinem Volk wohlbekannt ist, denn auch er ist ein gerefa …« Sie machte eine Pause. »Unmittelbar nach unserer Ankunft trat Bischof Leodegar aufgrund der Fürsprache von Abt Ségdae, dem zu der Zeit bereits ranghöchsten Gesandten aus Hibernia, mit der Bitte an uns heran, einen Todesfall, der sich hier ereignet hatte, zu untersuchen. Im Gemach des angelsächsischen Bischofs Ordgar aus Canterbury hatte man Abt Dabhóc ermordet aufgefunden; im gleichen Zimmer hatten sich zu dem Zeitpunkt auch Ordgar und Abt Cadfan von Gwynedd aufgehalten. Dem Anschein nach lag der Fall klar. Man erwartete von uns eine Entscheidung, wer von den beiden – Ordgar oder Cadfan – das Verbrechen begangen hatte. Doch ganz so einfach war die Sache nicht.«
»Es handelt sich außer Frage um eine einfache Entscheidung«, warf Bischof Leodegar empört ein. »Einer von den beiden ist schuldig. Vel caeco apparet! «
Eine unwirsche Handbewegung des Königs brachte ihn zum Schweigen. Über Fidelmas Gesicht huschte ein böses Lächeln.
»Bischof Leodegar meint, der Fall wäre selbst für einen Blinden offensichtlich. Doch lasst uns der Wahrheit auf den Grund gehen. Es stellte sich bald heraus, dass
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