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1665 - Boccus Traum

Titel: 1665 - Boccus Traum
Autoren: Unbekannt
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schließlich als „Denderalle-Grenzenüberschreitet" vorgestellt.
    Sie hatten es ihm geglaubt, weil sie es glauben mußten. Und jetzt war er für sie so etwas wie ein Gott, der gehen konnte, wohin er wollte, ohne sich je zu verlieren und von bösen Geistern verschlungen zu werden.
    Natürlich hatten sie Angst vor Tieren, deshalb der Zaun mit den oben angespitzten Palisaden. Es gab in dieser Gegend wohl gefährliche Räuber, die man im Talkessel bei den Nasran so gut wie nicht kannte. Die Kirillaa lebten nicht von ihrer Kunst allein, sie mußten auch essen. Und da sie nicht wie die Nasran Felder angelegt hatten und bestellten, mußten sie Waldfrüchte sammeln oder Tiere erlegen. Von ihren Jagden waren schon viele Kirillaa nicht mehr zurückgekommen, und früher, so berichteten sie, hatten die Raubtiere sogar das Dorf überfallen und sich ihre Opfer geholt.
    Boccu ließ sich zwei Wochen verwöhnen und zeigte ihnen dafür, wie man Samen gewann, Felder anlegte und die Wildpflanzen darauf wachsen ließ, die sie als Nahrung am meisten schätzten. Er schaffte es, in ihnen so viel Freude an dieser neuen Aufgabe zu wecken, daß sie ihre Töpferei zeitweise vergaßen und ihre Künste darin zeigten, wie schön man die Beete anlegen konnte. Sie gruben im Wald die schönsten Blütenbüsche aus und pflanzten sie in Hecken, um die neuen Felder vor dem Wind zu schützen.
    Boccu brachte ihnen vieles bei und war entsprechend stolz auf sich, als die Stunde des Abschieds kam.
    Und er dachte dabei, was die Nasran und die Kirillaa alles voneinander hätten lernen können, wenn die beiden Stämme eine Möglichkeit gefunden hätten, zueinanderzufinden. Die Nasran waren Bauern. Er hatte den Kirillaa beigebracht, worauf sich sein Volk verstand. Die Nasran hatten aber keine Ahnung, wie gut sich mit dem rechten Wissen aus Erde die schönsten Kunst- und Gebrauchsgegenstände erschaffen ließen.
    Boccu zog weiter seines Weges. Die Kirillaa begleiteten ihn bis zu dem Punkt, von wo aus sie ihren Dorfbaum gerade noch erblicken konnten. Er winkte ihnen fröhlich zu, als er vor ihren staunenden Augen weiterging, in ein neues Land hinein. Keiner wagte es, ihm zu folgen.
    Boccu war stolz. Die Sonne schien, und er summte eine Melodie. Ringsum summten Insekten und zwitscherten Vögel. Diesmal dauerte es länger, bis er einen neuen Stamm fand. Er marschierte den ganzen Tag lang durch Wiesen und an einem kleinen Fluß entlang durch Auwälder und Sümpfe. Als er auch am Abend noch keinen Dorfbaum oder ein anderes Zeichen für eine Siedlung gefunden hatte, bereitete er sich ein Nachtlager aus trockenem Gras und schlief ruhig und fest bis spät in den Morgen hinein.
    Boccu trank von dem klaren Wasser des Flusses, erfrischte sich mit ein paar Spritzern ins Gesicht und setzte seinen Weg fort. Als die Sonne sich wieder senkte und er sich geistig bereits auf eine weitere Nacht im Freien vorbereitete, entdeckte er den Weg. Und als er ihn erreicht hatte, sah er auch schon das Dorf vor sich. Es lag auf einer Insel im Fluß, der sich dort stark verbreiterte und einen kleinen See bildete.
    Als er diesmal von hinten gepackt wurde, begann er zu lachen. Er fürchtete zwar den Schlag mit dem Knüppel und die tagelang schmerzende Beule, aber er sah sich schon wieder inmitten eines neuen Stammes, verwöhnt und verehrt als „Derderalle-Grenzenüberschreitet „. „Schlagt bitte nicht zu fest zu, Freunde!" rief er den Unbekannten zu und drehte den Kopf, um sie zu sehen.
    Da verging ihm das Lachen.
    Er sah in wilde, grellbemalte Gesichter, und die Stimme, die ihn anschrie, war voller Haß. Stinkender Atem schlug ihm entgegen, und dann die Faust.
    Als er zu sich kam, war er gefesselt und hing in der Luft.
    Das heißt, nicht ganz in der Luft.
    Er war an einen starken Spieß gefesselt, unter dem die Wilden genau in diesem Moment ein Feuer anzündeten:
     
    *
     
    Sie wollten ihn tatsächlich braten, bei lebendigem Leib, und dann wohl auffressen wie ein Stück Vieh. Er sah in ihre gierigen Gesichter, während sie ihn schon mit den Augen verzehrten und mit ihren knöchernen Händen die Messer gegeneinanderwetzten.
    Es waren abscheuliche Gestalten mit unglaublich hageren Körpern, bei denen der Rumpf nicht dicker war als die Arme und Beine. Es war bereits dunkel, und im Schein der Feuer, die jetzt an verschiedenen Stellen flackerten, sahen sie aus wie schreckliche Dämonen. Ihre Ohren hingen über die Stirn nach vorne, und die Augen waren wie schwarze Glut in den häßlichen
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