Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1665 - Boccus Traum

Titel: 1665 - Boccus Traum
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
sich auch anders, hatte Attan berichtet. Boccu hatte sich nur wenige der Namen gemerkt, die sich die anderen Stämme gegeben hatten. Die Tuilir fielen ihm ein, die Barabos, die Sifis, die spindeldürren Popaluu und die Tranach mit ihrer sonderbaren Musik.
    Und sie besaßen alle ihre eigene Sprache, einen Dialekt, der kaum Gemeinsamkeiten mit den anderen Dialekten aufwies. Die wenigen Wörter, die sich fast überall wiederfanden, konnte man fast an den Fingern abzählen. Boccu fragte sich manchmal, ob diese Wörter eine besondere Bedeutung für die Stämme besaßen. Vielleicht hatten sie sogar etwas mit den Großen Geheimnissen zu tun.
    Boccu stellte sich überhaupt eine Menge Fragen - nach der Meinung seiner Stammesgefährten selbst für einen Dritten viel zu viele.
    Aber deren Meinung störte ihn nicht im geringsten. Wichtiger war ihm, was Attan ihm sagte, und deshalb begann er jetzt damit, den Geistvogel zu beschwören. Zu dieser Stunde schliefen die anderen. Das war immer so, es gab keine Ausnahme. Er konnte sicher sein, daß keiner unverhofft auftauchte und ihn störte.
    Der junge Nasran schien noch mehr in sich zusammenzusinken und fing an, dunkle, unmelodische Töne zu summen. Die Kerze flackerte unruhig und warf unheimliche Lichter und Schatten an die kahlen Wände der Wohnhöhle. Sie hatte keine Flamme, sondern brannte auf andere Weise. Die zwei Tage in einem besonderen Saft getränkten verschiedenen Moose sonderten, wenn sie miteinander vermengt wurden, gewisse Stoffe ab, mit denen sie sich gegenseitig zersetzten. Das dauerte Stunden, und dabei wurde nicht nur Helligkeit erzeugt, sondern auch Wärme. Boccu haßte kalte Höhlen. Es war; ihm unmöglich, sich in einer unbehaglichen Umgebung in die nötige Trance zu versetzen, um seinen Geistvogel zu rufen.
    Mit langen, dünnen Stöcken berührte der Nasran jetzt die magischen Gegenstände rings um seine Matte. Er klopfte leicht darauf, rieb darüber, verschob sie oder drehte sie um.
    Das geschah in keiner Reihenfolge, die einem uneingeweihten Beobachter auch nur halbwegs sinnvoll erschienen wäre. Die Stöcke, in jeder Hand einer, wanderten und klopften, und Boccu summte dazu immer eindringlicher. Seine Augen blieben geschlossen.
    Die Ohrspitzen hingen schlaff nach unten, und die Zehen bewegten sich im hektischen Rhythmus des Summens. Ab und zu verstummte der Dritte, seine Ohren richteten sich auf, die Zehen und Stöcke rührten sich nicht mehr, und Boccu murmelte magische Worte. Danach begann alles wieder von vorn, und das Ganze wiederholte sich ein halbes Dutzend Male.
    Bis Boccu endgültig verstummte und sich nicht mehr rührte. Seine Augen öffneten sich weit. Ihr Blick ging ins Leere, und Boccus Gesicht verzog sich zu einem matten, entspannten Lächeln. „Du bist gekommen, Attan", flüsterte er. „Heute zeigst du mir etwas vom Weiten Land.
    Du hast es mir versprochen ..
     
    *
     
    Der Geistvogel war nicht wirklich sichtbar. Boccu sah ihn nicht mit den Augen, er spürte ihn als ein mächtiges, spirituelles Etwas. Eine gewaltige Ballung aus geistiger Energie, so kompakt, daß sie auf unfaßbare Art und Weise doch wieder „sichtbar" wurde.
    Während die anderen Nasran in panischer Angst und grenzenloser Dummheit in ihrer räumlichen und geistigen Beschränktheit gefangen waren, träumte Boccu davon, sich wie sein Geistvogel über die Grenzen zu erheben und weiter und weiter zu fliegen - vielleicht wirklich bis ins Weite Land, von dem die Legenden berichteten. „Komm, Attan", flüsterte der junge Nasran. „Komm her zu mir in die Wärme. Trink sie. Nimm meine Gedanken auf, und gib mir dafür einen winzigen Krümel aus dem Schatz deiner Weisheit."
    Der mächtige Geist kam und erfüllte die Höhle. Seine Schwingen senkten sich über den Nasran und hüllten ihn ein. Seine Klauen drückten sich in die Körperoberseite Boccus, ohne daß es weh tat. Dann saß er still.
    Boccu erschrak. Fast wäre er aus der Trance erwacht. So gewaltig wie jetzt war ihm der Vogel nie zuvor erschienen. Etwas schien an ihm zu haften, was den Nasran zu ersticken versuchte. Schwärze. Etwas ganz aus Schwarz. Aus^ schwarzem Nichts, das dennoch da war und ihn mit sich in einen tiefen Wirbel ziehen wollte. Etwas, das nicht von dieser Welt war und alles zerstörte, was hierhergehörte ...
    Dann war es vorbei Boccu zitterte. Es war vorüber, aber irgendwie hatte er das Gefühl, es könnte ein Anfang gewesen sein. Ein Omen. Eine Warnung vielleicht - aber wovor?
    Du hast Angst? vernahm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher