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1626 - Die Nymphe

1626 - Die Nymphe

Titel: 1626 - Die Nymphe
Autoren: Jason Dark
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konnte auch der Grund sein, weshalb sie sich dagegen wehrten, das Kloster zu verlassen, das aus Kostengründen geschlossen werden sollte. Man hatte den Frauen noch eine Frist bis zum Ende des Jahres gegeben.
    »Was ist? Warum zitterst du?«
    »Ich will nicht darüber reden.«
    »Du hast Angst!«
    »Ich kümmere mich nicht darum.«
    »Aber du hast von Melissa gehört?«
    Judy wusste, dass es keinen Sinn hatte, wenn sie log. Dieses seltsame Wesen wusste Bescheid. Es schien sogar ihre Gedanken zu erraten, und das erschreckte sie.
    »Nur gehört.«
    »Glaubst du, dass sie noch lebt?«
    »Ich weiß es nicht…«
    »Sie liegt dort in einem Zustand, der als tot bezeichnet werden kann. Vielleicht ist sie das auch. Aber man hat ihr die Augen geöffnet. Sie ist zu einer Mahnerin und Warnerin geworden. Sie sieht mehr als die Menschen.«
    »Und was sieht sie genau?«
    »Eine Gefahr.«
    »Und du?« Judy wechselte das Thema. »Darf ich mal fragen, wer du bist?«
    »Hast du dir das nicht schon gedacht? Doch, du wirst dir Gedanken über mich gemacht haben, und du hast bestimmt schon herausgefunden, was ich bin.«
    »Kann sein.«
    »Ich bin eine Nymphe, ein Naturgeist. Ich gehöre zur Gruppe der Nereiden, den Nymphen des Wassers. Ich bin ein Zwischenwesen, das auch in den Geschichten und Erinnerungen der Menschen seinen Platz gefunden hat. Man soll den Volksglauben nicht so leicht abtun. Darin ist viel Wahrheit verborgen.«
    Jetzt war Judy May das bestätigt worden, was sie sich schon gedacht hatte. Richtig glauben konnte sie es noch immer nicht, dass es diese Wesen tatsächlich gab, und sie fragte mit leiser Stimme: »Wo kommst du her?«
    »Aus dem Wasser.«
    Judy lachte. »Das habe ich gesehen. Aber ist das alles?«
    »Was meinst du damit?«
    »Hast du nicht auch eine Heimat?«
    »Ja, die habe ich. Sie ist sehr nah und trotzdem sehr fern. Wenigstens für die meisten Menschen. Ich lebe dort, und ich fühle mich da wohl. Aber manchmal breche ich aus, um mich woanders umzuschauen, dann betrete ich die Welt der Menschen, sonst würde ich nicht vor dir sitzen, Judy.«
    »Ja, mag sein.« Sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte. In ihrem Kopf gab es nur ein wildes Durcheinander. Die Nymphe, das Kloster, die tote Melissa, die angeblich nicht tot war, das alles hatte ihr normales Denken überschwemmt. Sie hatte eine neue Wahrheit erlebt, die der, die sie kannte, entgegengesetzt stand. Das zu verkraften war so gut wie unmöglich.
    Dennoch steckte die Neugierde in ihr. Die wollte sie befriedigen und fragte: »Warum hast du dich an mich gewandt?«
    »Weil ich gespürt habe, dass du mir glauben wirst. Deshalb bin ich mit dir in Kontakt getreten. Ich kann nicht einfach zuschauen, dass die andere Seite versucht, die Menschen für sich einzunehmen. Es beginnt etwas zu rollen, das weiß auch Melissa. Ich habe sie gespürt. Sie ist nicht tot, und sie will so lange leben, bis das Grauen abgewendet ist. Du bist für mich jemand, der mit offenen Augen durch die Welt geht. Du bist auch bereit, dich dem Neuen zu stellen, das in Wirklichkeit etwas Altes ist. Halte die Augen offen. Such dir Verbündete in einem gefährlichen Kampf. Den Rat will ich dir geben. Auch ich habe mich entschlossen, gegen die andere Macht zu kämpfen, aber ich brauche Unterstützung nicht nur Melissa.«
    Judy hatte sich entschlossen, alles so hinzunehmen und das Spiel mitzumachen.
    Deshalb fragte sie auch: »Soll ich denn versuchen, an Melissa heranzukommen?«
    »Es wird dir kaum gelingen. Die wenigen Frauen, die noch im Kloster leben, schirmen sie ab. Aber wie ich gefühlt habe, ist Melissa auch dabei, sich nach Hilfe umzusehen.« Es wurde für Judy immer komplizierter. »Und - und - wie macht sie das?«
    »Das kann ich dir nicht sagen. Aber die Tote, die noch nicht sterben will, ist trotzdem mächtig, weil sie Verbindungen hat, die dir als Mensch verschlossen bleiben.«
    Das hatte Judy verstanden, nur nicht begriffen. Je mehr sie erfuhr, umso dringender wurden ihre Fragen, sie wusste nur nicht, ob sie sie stellen sollte. Wenn sie ehrlich gegen sich selbst war, dann kam ihr die Realität wie ein Traum vor.
    Und ihr fiel noch etwas auf.
    Der Kajak schwankte leicht. Es lag an der Nymphe, die sich leicht bewegte, als sie ihren Kopf mal nach rechts und dann wieder nach links drehte. Dabei ließ sie ihre Blicke über die Oberfläche gleiten.
    »Hast du Probleme?«
    »Ich denke schon.«
    »Und welche?«
    »Ich glaube, man hat mich entdeckt!«
    »Wer?«
    »Meine Feinde.«
    Die
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