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1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist
Autoren: Mary Gentle
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auf Aemilia Lanier mit sechs kräftigen Arbeitern, die allesamt Fackeln und Knüppel trugen.
    »Die Höhlen sind für unsere Zwecke geeignet«, kam ich ihren Fragen zuvor. »Wenn Ihr nicht noch mehr wissen wollt, Madame, können wir morgen wieder nach London zurückkehren.«
    »Ich habe noch keine Zeit gehabt«, protestierte sie. »Ich brauche mindestens noch ein paar Tage …«
    Ich ging weiter und ließ sie stehen.
    Bristol wäre gut, dachte ich.
    Laut dem Kolonnenführer lag der Hafen ein paar Meilen nördlich von hier. Wenn die Straßen nach London unpassierbar waren, schickte Fludd seine Pamphlete manchmal per Schiff. Bristol war der zweitgrößte Hafen des Königreiches (wenn auch kein Vergleich zu unserem La Rochelle), und von dort fuhren Schiffe nach Portugal, in die Ostsee, nach Nordafrika und in die Neue Welt …
    Was konnte ein Mann wohl in Virginia tun? Er konnte Sklaven besitzen, reich werden und frei unter einem anderen Namen leben – und all die toten Könige in Europa hinter sich lassen.
    Du glaubst ihr doch nicht, oder? Dass der Tod von Mademoiselle Dariole und der des Königs irgendwie miteinander verbunden sind?
    Die Erinnerung, wie meinem Schwert mühelos ausgewichen wurde, und das Ziehen der verheilenden Narbe an meinem Arm bewirkten genau das, was Fludd beabsichtigt hatte, und riefen mir den Kampf gegen ihn und die Abrahams Männer wieder ins Gedächtnis zurück.
    Fludd weiß etwas, räumte ich ein.
    Ich weiß nicht, wie ein normal denkender Mensch das leugnen könnte.
    Aber … Der Fehler wäre zu glauben, dass dieses Wissen ihm mehr als nur ein wenig von der Zukunft eines Mannes geben würde.
    Habe ich selbst nicht oft genug andere getäuscht, indem ich ihnen mit einem Körnchen Wahrheit eine große Lüge verkauft habe?
    Suor Caterina sprach von Dariole; also wollte sie offensichtlich meine Unterstützung. Was davon wahr war, war schwer zu sagen. Wenn ich nach London zurückkehrte, könnte Mademoiselle Dariole genauso gut längst auf dem nächsten Schiff in die Neue Welt sein.
    Die leichte Anspannung, die ich die ganze Reise über empfunden hatte, entsprang einer bestimmten Erwartung, die ich mir bis jetzt nur nie eingestanden hatte, wie ich erkannte. Der Erwartung, dass ich mich plötzlich umdrehen und feststellen würde, dass Dariole mir aus reiner Neugier gefolgt war.
    Zum Glück hatte sie das jedoch nicht getan. Sie war nicht klug genug, um zu erkennen, dass ich keine gute Gesellschaft für sie war.
    Ich überquerte die Brücke über den Mühlenbach. Als ich den verschlammten Mühlenhof erreichte, ging ich direkt, aber nicht sonderlich schnell zum Stall.
    Ich holte meine Satteltaschen und beeilte mich, den Hengst zu satteln. Dann führte ich ihn in die Sonne hinaus und schaute mich nach jemandem um, bei dem ich mich abmelden und erklären konnte, ich wolle dem Pferd nur ein wenig Bewegung verschaffen.
    Hier werde ich nicht eine Nacht verbringen!, dachte ich grimmig. Ich werde Madame Lanier nicht mehr auf den Leim gehen. Und keine verrückten, italienischen Nonnen mehr! Sollte sie doch Fludd mit ihrem Gerede verwirren, wenn er hierher kam, um sein Komplott in die Tat umzusetzen. Ich wasche meine Hände in Unschuld! Ich würde nach London zurückkehren und herausfinden, was Messire Cecil mir sonst noch über Messire de Sully erzählen konnte.
    Das Pferd ging in langsamem Schritt, da es sich seit dem Morgen nur vier Stunden hatte ausruhen können, und ich konnte es ihm nicht übel nehmen, dass es ein wenig unwirsch darauf reagierte, so rasch wieder aus dem warmen Stall geholt zu werden. Ich folgte dem Weg nach Norden. Es war mitten am Nachmittag. Über mir sangen mehrere Feldlerchen. Als der Hengst an Geschwindigkeit zulegen wollte, zügelte ich ihn. Lief er zu schnell, würde er nur wenige Meilen durchhalten. Trotzdem kam es mir gar nicht lang vor, bis ich die Straße von London nach Bath erreichte. Bristol lag westlich von mir, London östlich.
    Im Westen ist Bristol; dort warten die Freiheit auf mich und ein anderer Name, unter dem mich kein Mensch kennt. Und die Chance, im Atlantik zu ertrinken, im Winter der Neuen Welt zu erfrieren oder von Wilden verspeist zu werden …
    »Bisweilen kann so etwas sogar eine Erlösung sein.« Ich beugte mich vor und rieb den Hengst hinter den Ohren. Er scharrte mit den Hufen im Staub, allerdings bei weitem nicht so feurig wie meine beiden Andalusier. Ich ließ ihn weitergehen, führte ihn nach Osten durch die grüne englische Frühlingslandschaft
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