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1605 - Besucher aus dem Irgendwo

Titel: 1605 - Besucher aus dem Irgendwo
Autoren: Unbekannt
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Nora. „Sterben!"
    Uryn Aetzold nickte. „Ja, ich weiß", sagte er. „Richtig. Ich bewundere deinen Mut, Tyler. Ich sage es ehrlich, ich habe diesen Mut nicht. Ich könnte das nicht tun, was du vorhast. Respekt."
    „Uryn Aetzold, du bist ein egoistisches Schwein", knirschte Nora Bierer. „Ich habe dich von Anfang an nicht sehr gemocht, und jetzt mag ich dich erst recht nicht."
    Aetzold zuckte die Achseln. „Damit kann ich leben", sagte er kalt. „Tyler, kann ich den anderen noch irgendeine Botschaft von dir ausrichten?"
    „Du unternimmst nichts, um ihn davon abzubringen, nicht wahr?" fragte Nora fassungslos. „Reinweg gar nichts. Du willst einfach zusehen, wie er stirbt?"
    „Ist es besser, wenn wir uns alle gegenseitig beim Sterben zusehen, Nora?"
    „Tyler will sich aufopfern, für uns. Du kannst das doch nicht einfach so annehmen?"
    „Warum nicht? In Bergwerken sterben Menschen, damit wir seltene Erze oder Gesteine bekommen. Jeder Beruf hat seine Risiken für den, der ihn ausübt, und wir nehmen das alle in Kauf, weil es der sogenannten Allgemeinheit dient. Im alten Karthago haben die Einwohner ihre Kinder dem Moloch geopfert, um sich von dem Gott gute Ernten zu erflehen. Ein paar Jahrhunderte später sind Hunderte von Kindern jährlich im Verkehr gestorben, und man hat es hingenommen, weil man auf das Vergnügen des Fahrens nicht verzichten wollte."
    Kiraah schob sich ein wenig näher an die Aufnahmeoptik. „Du hast mich Lämmchen genannt, Tyler", sagte sie leise; ein Lächeln spielte um ihre schmalen Lippen. „Zum ersten Mal, vor wenigen Minuten."
    Nora begriff blitzschnell. „Er liebt dich", stieß sie hervor. „Er liebt dich, das ist es. Er tut es nicht für uns, er will es für dich tun, Kiraah." Auf dem Bildschirm war zu sehen, wie Tyler Danning zusammenzuckte und blaß wurde. „Du kannst ihn von diesem Wahnsinn abhalten, Kiraah, du allein."
    „Bist du verrückt?" schrie Uryn Aetzold. „Laß ihn doch, wenn er will. Verdammt, Nora, dein Eingreifen in diesen Fall kann für uns alle den Tod bedeuten. Er hat recht, das würde keiner von uns tun, nur er hat das Format dazu. Alle Achtung, Respekt, und nun haltet ihn nicht auf."
    „Du bist bereit, über ihn das Todesurteil zu sprechen, nicht wahr? Wie kann ein Mensch so vermessen sein?"
    Uryn Aetzold schüttelte heftig den Kopf. Er deutete auf den Bildschirm. „Das war und ist allein seine Entscheidung", sagte er schwer atmend. „Er verurteilt sich selbst zum Tode, das ist richtig. Aber wenn du jetzt auf ihn einredest und ihn dazu bringst, dieses Opfer nicht zu bringen, dann sprichst du das Todesurteil über uns alle. Das, Nora, nenne ich Vermessenheit!"
    „Schluß jetzt", stieß Tyler Danning hervor; es war zu sehen, daß er sich nur mit äußerster Mühe beherrschte. „Es ist meine Entscheidung, und die Zeit drängt. Habt ihr genau begriffen, was ihr zu tun habt?"
    „Klar, alles klar, Tyler. Wir schaffen das, bestimmt. Du wirst uns alle retten mit dieser Heldentat", sprudelte Aetzold hervor. „Bitte, Tyler", brachte Nora über die Lippen. „Tu's nicht, bitte!"
    Tyler Danning starrte an ihr vorbei; er hatte nur noch Augen für Kiraah, die ihn mit einem seltsamen Lächeln ansah. „Tyler Danning", sagte Kiraah schließlich leise. „Du magst als Exo-Biologe, Gen-Ingenieur und was auch immer ein Genie sein. Aber als Mann bist du ein Trottel."
    Danning zuckte zusammen; Nora konnte sehen, wie sich seine Hände verkrampften. „Erstens hättest du Narr schon vor Wochen, vor Monaten ankommen und mich fragen können", sagte Kiraah sanft. „Und ich hätte ja gesagt."
    Danning schluckte. „Ist das wahr?"
    „Diese dämliche Ziege!" murmelte Uryn Aetzold fassungslos. „Sie wird uns mit diesem sentimentalen Gesülze alle umbringen!"
    „Und zweitens?"
    Dannings Stimme klang heiser vor Erregung. „Zweitens ist dein Plan einfach genial, und ich bin dafür, daß wir ihn schnellstens ausführen, bevor uns tatsächlich die Luft ausgeht."
    Danning starrte sie an, er bewegte langsam den Kopf hin und her, als könne er nicht glauben, was er zu hören bekam. „Nein", sagte er leise und ratlos. „Ich verstehe es nicht. Du würdest mir das nicht antun, mich jetzt noch dazu auffordern, in den Tod zu gehen. Du hast - Allmächtiger!"
    Das letzte Wort stieß er mit größter Lautstärke hervor; explosionsartig kehrte das Leben in sein Gesicht zurück. „Kiraah, Teufelsweib!" schrie er; seine Augen begannen zu leuchten. „Du hast recht, ich bin ein Idiot.
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