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1595 - Die sterbenden Engel

1595 - Die sterbenden Engel

Titel: 1595 - Die sterbenden Engel
Autoren: Jason Dark
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tot. Es hätte kein Leben oder sonst etwas mehr in ihm geben dürfen, und genau das war der Irrtum, denn es gab so etwas wie Leben. Zumindest fand ich keinen anderen Ausdruck für dieses ungewöhnliche Vibrieren unter der Haut.
    Ja, man konnte es mit einem Zittern vergleichen, und als ich meine Hand wandern ließ und sie sich dem Hals näherte, stellte ich fest, dass dieses Zittern nicht verschwand. Es setzte sich bis zum Kopf hin fort, was mir ein Rätsel blieb.
    Suko sah es meinem Gesicht an, dass etwas nicht stimmte. Mit leiser Stimme fragte er: »Hast du was entdeckt?«
    »Ja. Ich spürte deutlich ein Zittern.«
    »Bitte?«
    »Es überträgt sich allerdings nicht bis auf die Haut. Das Zittern findet im Körper statt und bleibt dort auch.«
    Suko schaute mich mit einem Blick an, den ich lieber nicht deuten wollte.
    Er blieb nicht mehr stehen und legte seine rechte Hand ebenfalls auf die helle Haut.
    Sekunden verstrichen. Ich richtete meinen Blick auf sein Gesicht, um etwas zu erkennen. Ich wollte praktisch sehen, was er fühlte.
    Seine Reaktion enttäuschte mich. Er schüttelte den Kopf.
    »Was bedeutet das?«, fragte ich, obwohl ich seine Antwort schon ahnte und auch bestätigt bekam.
    »John, da ist nichts zu spüren.«
    Ich schloss für einen Moment die Augen. »Wirklich nicht? Kein Vibrieren?«
    »So ist es.«
    »Aber bei mir. Ich mache dir da nichts vor. Etwas ist mit dieser Person geschehen.«
    Dr. Sexton hatte unserem Dialog zugehört. Er fühlte sich wohl in seiner Ehre als Wissenschaftler gekränkt und gab mit leiser und ungeduldiger Stimm seinen Kommentar ab.
    »Verdammt, ich habe selbst nachgeprüft, dass diese Person tot ist. Was reden Sie denn da von einem Zittern, Mr. Sinclair?«
    »Sie haben die Leiche auch angefasst?«
    »Natürlich.«
    »Hm.«
    Suko stand Dr. Sexton zur Seite. »Du kannst sagen, was du willst, John, ich habe auch nichts bemerkt.«
    »Ja, dann bin ich wohl derjenige, der das Pech hat.« Ich hob die Schultern. »Und das muss einen Grund haben.«
    »Dein Kreuz?«
    Ich nickte.
    »Spürst du es denn?«
    »Nein. Es gibt keine Wärme ab. Aber das muss nichts sagen. Es kann auch eine andere Reaktion zeigen.« Ich wandte mich von diesem Thema ab, weil etwas mit der toten Person vor mir geschah. Das Vibrieren blieb, und es hatte noch zugenommen. Wäre es mit Geräuschen verbunden gewesen, so hätten wir jetzt sicherlich ein Rumpeln gehört, doch dem war nicht so.
    Ich hörte nichts. Nur die Vibration nahm weiterhin zu.
    Suko fasste noch mal nach. »Nein, da ist nichts zu spüren, John.«
    Der Vorgang gefiel mir nicht. Ich wollte ihm auf den Grund gehen und endlich mein Kreuz freilegen, weil ich inzwischen davon überzeugt war, dass es mit dem Vorgang in einer Verbindung stand.
    Doch dazu kam es nicht mehr, denn etwas anderes geschah. Etwas Unheimliches, das für uns zwar nicht gefährlich, aber einfach nicht zu fassen war.
    Der nackte Frauenkörper fing an, sich aufzulösen…
    ***
    Jetzt gab es für uns nur mehr das Starren. Das galt für Dr. Sexton ebenso wie für Suko und mich. Keiner von uns traute seinen Augen, aber was wir sahen, war eine Tatsache.
    Es lief auch nicht schnell ab, sondern in einzelnen Stufen.
    Der Körper löste sich auf. Stück für Stück nahm er an Durchsichtigkeit zu. Wir schauten in ihn hinein, und da erwartete uns die zweite Überraschung, denn unter der Haut gab es nichts zu sehen. Kein Skelett wie es hätte normalerweise sein müssen. Da war einfach nichts. Auch keine Sehnen, Adern, Venen, was auch immer. Dieser Körper war einfach nur leer, und er wurde von Sekunde zu Sekunde durchscheinender, bis nur noch die Umrisse vorhanden waren, als hätte man sie mit einem dünnen Stift auf die Liege gezeichnet.
    Dr. Sexton stand am Fußende. Er hatte seine Handballen gegen den Mund gepresst, und seine Augen waren groß geworden.
    Es sprach niemand von uns. Wir warteten noch wenige Sekunden ab, dann gab es die Tote nicht mehr. Jeder von uns schaute auf den leeren Metalltisch.
    Dr. Sexton wankte zurück. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und musste sich setzen. Erst jetzt nahm er seine Hände vom Mund weg. Das Geräusch, das wir von ihm hörten, war eine Mischung aus schweren Atemstößen und Ächzen.
    Suko schaute mich an. Es war ein fragender Blick.
    Ich war nicht in der Lage, ihm eine Erklärung zu geben.
    »Wie ist so etwas möglich?«, flüsterte er trotzdem.
    »Wenn ich das wüsste.«
    Noch immer schaute ich auf den leeren Tisch. Meine Gedanken
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