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1575 - Der Gesang des Lebens

Titel: 1575 - Der Gesang des Lebens
Autoren: Unbekannt
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nach oben, in Stalkers undurchdringliche Miene. „Über meine Heimat", sang er schwermütig. „Einerseits ist Freude in mir. Auf der anderen Seite spüre ich jetzt, da es soweit ist, Furcht."
    „Ich verstehe", gab Stalker zurück. „Du denkst, es könnte dir genauso gehen wie mir."
    „Daß ich vergessen bin? Ja, vielleicht ist es das. Du mußt eines über mein Volk wissen: Nur der, der nach seinem Tod in den Kreis der Großen Sänger aufgenommen wurde, erlangt Unsterblichkeit. Nur seine Melodien werden auch nach langer Zeit noch gesungen."
    „Unsterblichkeit?" fragte der ehemalige Sotho. „Ist es das, wonach du strebst?"
    „Ja, das ist es. Streben wir danach nicht alle? Nicht auch du?"
    Salaam Siin wußte nicht, woran es lag, aber er war sicher, daß sich nach diesen Worten etwas in Stalkers Gesicht veränderte. Bei einem Menschen hätte er gedacht, er würde Tränen sehen, doch in Stalkers Fall war es ganz anders. Die dreieckigen Augen verengten sich, der orangefarbene Schimmer der Pupillen wurde dunkler, und das fliehende Kinn mit dem schnabelartigen Mund verspannte sich. „Gibst du mir keine Antwort, Stalker?"
    Der andere schwieg lange. „Ich wüßte nicht, was dich das anginge", versetzte er dann auf Sothalk.
    Doch Salaam Siin ließ nicht locker. „Wie alt bist du, Stalker? Und wie alt kann ein Sotho werden? Oder ist das ein Geheimnis?"
    Der Pterus-Klon wandte sich abrupt ab und stürmte aus der Zentrale.
    Nachdenklich ließ sich Salaam Siin in einen Sessel sinken. Dann brummte er einen Akkord der Frustration, schüttelte nach Menschenart den Kopf und wies die Syntronik an, den schnellsten Kurs nach Zaatur zu berechnen. Zaatur - so hieß sein Heimatplanet, den er so früh verlassen hatte. Dort würde er sich menschliche Gesten rasch abgewöhnen. Dort konnte er wieder lernen, ein Ophaler zu sein.
    Von oben bot Zaatur denselben Anblick wie Dutzende anderer Planeten auch, die er gesehen hatte. Aber Salaam Siin hatte ein sonderbares Gefühl. Es war, als spüre er förmlich die Nähe seines Volkes.
    Und er hörte etwas. Allerdings waren es nicht seine Ohren, die da reagierten, sondern vielmehr sein Membrankranz. Dort auf Zaatur sangen viele Stimmen. Der Chor war zwar nicht gerichtet, doch er strahlte hoch bis in die HARMONIE.
    Eine Wachstation stoppte ihren Flug.
    Sie erhielten Anweisung, in einen weiten Orbit zu gehen. „Salaam Siin!" rief Stalker. „Ein Anruf! Soll ich sprechen?"
    „Nein. Das erledige ich selber."
    Der Sänger aktivierte mit einem kurzen Tonsignal den großen Holoschirm. Der Oberkörper eines Wesens erschien. Es war ein Ophaler. Wie lange hatte er diesen Anblick vermißt!
    Der andere war um die einsdreißig groß, lag also im Durchschnitt. Die Borkenhaut war knallrot, mit dem typischen leicht angegrauten Stich hohen Alters. Allerdings war der Ophaler keineswegs altersschwach; das bewies die Art, wie er seinen Teleskophals aufmerksam zur vollen Länge von achtzig Zentimeter ausgefahren hatte.
    Zunächst empfing Salaam Siin einen prüfenden Blick - dann schwoll der Membrankranz seines Gegenübers an. „Ich grüße dich, Fremder!" sang der Alte. Er gab sich alle Mühe, aus den simplen Worten eine wunderschöne Melodie zu formen. „Darf ich nach dem Grund eures Besuchs auf Zaatur fragen?"
    Salaam Siin bekam sekundenlang keinen Ton heraus. Er hörte zwar die Ungenauigkeiten in der Melodie; es war eben kein besonders guter Sänger, der da mit ihm Kontakt aufgenommen hatte. Zudem übertrug der Funk nicht den wahren psionischen Zauber ophalischen Gesangs, so daß die Grußmelodie natürlich schal und nichtssagend geklungen hatte. Aber es war der Gesang eines Ophalers, und diese Tatsache wog alles andere auf. „Ich grüße dich ebenfalls! Mein Name ist Salaam Siin. Einst war ich der Leiter der Singschule Nambicu ara wada auf Mardakaan. Und nun kehre ich nach einer Ewigkeit der Wanderschaft zurück in meine Heimat."
    Der tonnenförmige Rumpf des Alten erzitterte. Seine Tentakelarme bewegten sich in unkontrollierter Hast, obwohl es nicht das geringste zu tun gab. „Du bist Salaam Siin?" brachte der andere schließlich heraus. „Das ... das ist unmöglich ..."
    „Ich versichere dir, daß ich es bin."
    „Warte. Ich gebe dir in ein paar Minuten wieder Bescheid."
    Das Bild im Holoschirm erlosch. Salaam Siins Blick irrte durch die Zentrale der HARMONIE, immer wieder zu Stalker und zum Schirm zurück. Die kurze Frist wurde ihm so lang, als befände er sich in Lebensgefahr.
    Plötzlich erhellte
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