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1566 - Das Musical-Gespenst

1566 - Das Musical-Gespenst

Titel: 1566 - Das Musical-Gespenst
Autoren: Jason Dark
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sich jetzt ebenfalls. Ein Orchester gab es nicht. Die Musik lief vom Band, was nicht schlecht war, denn das Zelt hatte eine gute Akustik.
    Bill Conolly schaute auf die Uhr und stellte fest, dass es bis zum Beginn der Vorstellung nur noch ein paar Minuten waren. Die anderen Besucher hatten mittlerweile auch ihre Plätze eingenommen. Einige unterhielten sich, andere wiederum blätterten in ihren schmalen Programmheften.
    Die erste Reihe war nicht vollständig besetzt. Johnny sah, dass sich unter den hier Sitzenden zwei bekannte Schauspieler befanden und auch eine TV-Moderatorin.
    Übergangslos erlosch das Licht! Im ersten Moment sah es aus, als würde die Masse der Zuschauer im Dunkeln sitzen. Doch das traf nicht zu, denn an den Seiten waren noch die Lichter der Notbeleuchtung zu sehen. Alles gehörte zur Schau, besonders die Musik, die jetzt einsetzte.
    Drohend und düster drang sie aus den Lautsprechern und legte sich wie eine schaurige Botschaft über den Saal. Sicherlich bekamen nicht wenige Zuschauer eine Gänsehaut. Während die Musik spielte, glitt der Vorhang in die Höhe. Der größte Teil der Bühne lag im Dunkeln.
    Nur in der Mitte gab es einen Punkt, um den herum ein Scheinwerfer seinen hellen Kreis warf.
    Das Motiv war auch in der letzten Reihe zu sehen: ein Mann, der an einem Schreibtisch saß, um sich herum Papier ausgebreitet hatte und auf die Tastatur einer Schreibmaschine starrte wie jemand, der nachdenken musste, um etwas zu Papier zu bringen.
    Sekundenlang bewegte er sich nicht. Dann hob er langsam den Kopf an, schaute ins Publikum und erhob sich mühsam von seinem Platz. Er trat hinter dem Schreibtisch hervor und wurde von einer eher als traurig einzustufenden Musik begleitet, die aufhörte, als der Mann im schwarzen Anzug stehen blieb.
    Schwarz und ungekämmt war sein Haar, das ihm bis in die Stirn fiel. Dafür hatte man sein Gesicht bleich geschminkt, allerdings auch mit grauen Strichen versehen, sodass es einen traurigen Ausdruck erhielt.
    Die Musik setzte wieder ein und steigerte sich, und dann sang der Schreiber sein erstes Lied.
    Der Text war gut zu verstehen. Die Zuschauer hörten, wie frustriert er war und dass er wegen seiner schlimmen Albträume nicht mehr schreiben konnte. Alles hatte er geschafft, was er sich vorgenommen hatte, doch jetzt war Schluss.
    Ausgebrannt, leer.
    Der Ghostwriter sang den Text mit einer wunderbaren Baritonstimme. Er gab Emotionen preis. Er fluchte, er flehte irgendwelche Mächte an, die Leere in seinem Innern zu vertreiben, aber es half ihm niemand. Es gab keine Hoffnung.
    Das schaffte der Ghostwriter auch körperlich darzustellen. Je hoffnungsloser er sich gab, umso mehr sank er in die Tiefe und blieb schließlich auf dem Boden knien.
    Ein letztes Aufbäumen noch, auch gesanglich, dann brach er zusammen und ließ den Oberkörper nach vorn kippen.
    Beifall brandete auf. Ach Bill und sein Sohn klatschten mit. Die Szene hatte allen gefallen.
    Der Ghostwriter stand auf. Jeder wusste inzwischen seinen Namen. Er nannte sich Jack Kerry, und Kerry erhob sich mühsam, kaum dass der Beifall verstummt war.
    Mit schweren Schritten ging er auf seinen Schreibtisch zu, um dort wieder Platz zu nehmen.
    Von Schuld und Sühne hatte er gesungen, und dieses Thema steigerte sich noch, denn jetzt sprach er von seiner Angst und von einem Fluch, der auf ihm lastete.
    Mit beiden Fäusten trommelte er auf die Schreibtischplatte. Er fürchtete sich vor den Figuren, die er im Laufe seines Lebens erschaffen hatte, und die nun lebendig geworden waren.
    »Sie kommen«, schrie er, »das weiß ich genau. Sie drängen sich in meine Träume, aber das allein genügt ihnen nicht. Sie sind noch stärker. Sie wollen keine Geistererscheinungen bleiben, sie sind dabei, echt zu werden…« Eine kurze Pause, dann ein Lachen, das sich schrill und unnatürlich anhörte. »Glaubt mir, ich bin verflucht. Ich kann mich nicht mehr davon befreien. Und ich kenne keinen, der mir Schutz geben kann. Sie - sie - haben mich umzingelt.«
    Sein letztes Wort klang aus, und der Autor blieb in einer verkrampften Haltung hinter seinem Schreibtisch hocken. Er sagte nichts mehr, doch im Hintergrund war wieder Musik zu hören. Sehr düster, und aus dieser Melodie hervor stachen die schrillen Laute einer Geige, die sich anhörte, als stünde sie kurz vor dem Bersten.
    »Wie gefällt es dir, Dad?«
    Bill lächelte knapp. »Das ist schon eindrucksvoll gemacht. Man nimmt dem Autor seine Verzweiflung ab.«
    »Das war erst der
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