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155 - Reiseziel: Mars

155 - Reiseziel: Mars

Titel: 155 - Reiseziel: Mars
Autoren: Jo Zybell
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aufgefordert zu handeln; nicht aus Vergnügen hatte sie sich auf den beschwerlichen Weg zum Obersten ihrer Baumsprecher gemacht. Doch war sie noch immer Diplomatin genug, um den geheimnisvollen Mann nicht zu unterbrechen. Höflich mimte sie die Aufmerksame, während ihre Blicke Einzelheiten in der Nähe des Feuers und vor der Einsiedlergrotte zu erfassen suchten.
    Über das exotische Kreuz und die verrückten Sturmflöten hinaus gab es da noch jene Waffen über dem Höhleneingang.
    Gekreuzte Klingen, lang und gekrümmt und mit fantastisch geschmückten Griffen. Oder das hölzerne Instrument rechts des Höhleneingangs. Sein Klangkörper verengte sich in der Mitte, wie die Taille einer jungen Frau, und von seinem Steg liefen vier Saiten zur Spannmechanik in kunstvoll spiraliger Schneckenform. Sie suchte in ihrer Erinnerung, aber sie konnte sich nicht entsinnen, ein derartiges Instrument je gesehen zu haben, abgesehen natürlich von Abbildungen in den Datenbanken der Zentralverwaltung. Sie wusste nicht einmal, wie man so ein Ding bezeichnete.
    Oder der Tierschädel links des Höhleneingangs. Seine Augen reflektierten den Feuerschein, und aus seinem pelzigen Schädel ragte ein vielfach verzweigtes Gehörn. Sicher – aus Lyvia Braxtons Genkugeln waren mehr und mehr Tierarten des so genannten Alten Lebens entsprungen; man konnte sie gar nicht alle kennen. Zusammen mit der expandierenden Flora breiteten sich viele Gattungen über den Planeten aus, deren Existenz und Bestand noch nicht erfasst war, doch das Tier, dessen Schädel da neben der Höhle des Schamanenführers hing, kannte Vera Akinora nicht einmal vom Hörensagen.
    Wanderer, so nannte Windtänzer seinen Lehrer manchmal; oder auch Weltenwanderer. Angesichts der fremdartigen Gegenstände fragte sie sich, was dieser Titel zu bedeuten hatte; und was genau es war, das Windtänzer noch zu lernen hatte, wenn er zweimal im Jahr aufbrach, um seinen alten Meister aufzusuchen.
    Sternsang war endlich verstummt. Die Altpräsidentin nutzte die Gelegenheit und ergriff das Wort. »Du sprichst die Wahrheit, verehrter Herr Sternsang, deine Worte sind klar und ich kann ihnen nur zustimmen. Doch was nun? Wenn der Erdmann bei den Städtern bleibt, wird er unter den Einfluss jener Fraktion gelangen, die schon lange darauf drängt, auf der Erde nach wissenschaftlichen und technischen Innovationen zu forschen. Sie wollen das alte, verderbte Wissen für den Mars nutzbar machen, daran kann kein Zweifel bestehen, und der Erdmann wird ihnen dabei helfen, denn ihn zieht es natürlich nach Hause.«
    Der Uralte schwieg. Finster brütend starrte er ins Feuer.
    »Nur ein Wort von dir, verehrter Herr Sternsang«, fuhr Vera Akinora fort, »und dein Volk wird sich aufmachen und den Fremden aus den Händen der Blinden und Narren befreien.«
    »So ist es«, pflichtete Windtänzer bei. »Wir müssen ihn entführen. Am besten so schnell wie möglich, oder er wird sie infizieren mit seinem Gedankengut!«
    »Entführen?« Schwarzstein ergriff das Wort. »Wohin denn entführen? Zu einer Sippe des Waldvolkes? Damit er dort Anhänger und Komplizen gewinnt?« Er ballte die Fäuste; eine Zornesfalte stand zwischen seinen weißen Brauen. »Wir müssen ihn töten!«
    Sein Lehrer und der Uralte blickten ihn schweigend an, Windtänzer mit mildem Tadel, Meister Sternsang streng und zornig. Er hob gebieterisch die Hand. »Töten? Du bist ein Schüler des Baumsprechers und redest vom Töten? Die solche Reden führen, werden den Versuchungen des Erdmannes als erste erliegen.«
    Schwarzstein senkte beschämt den Blick.
    »Rechne es seiner Jugend zu, Meister«, sagte Windtänzer beschwichtigend. »Ich werde ihn angemessen bestrafen.«
    Wieder verstummte der Uralte. Mit der Rechten seine Windorgel bedienend, warf er mit der Linken Holz und Reisig ins Feuer. Danach stierte er brütend vor sich hin. Bis er irgendwann tief durchatmete. »Nach dem Ende der Bruderkriegs vor hundertdreißig Marsjahren sah einer unserer ersten Lehrer in die Zeiten, die noch kommen würden«, sagte er leise. »Er sah hundertdreißig Jahre des Friedens – und danach einen falschen Propheten, der denkt, wie man auf der Erde zu denken pflegte, der Kampf predigt und Zwist sät. Einen, der die Wälder verderben und das Waldvolk ins Unglück stürzen wird.« Er hob den Schädel. Ernst und Würde gingen von ihm aus. Erst sah er die beiden Jungen, dann Vera Akinora und zuletzt Windtänzer an. »Es sei denn, einige Tapfere finden sich, dies noch im
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