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155 - Reiseziel: Mars

155 - Reiseziel: Mars

Titel: 155 - Reiseziel: Mars
Autoren: Jo Zybell
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der Dame Vera Akinora.«
    Die Gestalt des Uralten straffte sich wieder; er bedeutete der Frau und den drei Männern, näher zu treten, und wies auf einige flache Sitzgelegenheiten nahe des Feuers. Sie waren mit einem Geflecht aus Pflanzenfasern überzogen, sodass Vera Akinora das Material darunter nicht erkennen konnte.
    Die vier Besucher nahmen Platz. Die beiden Jünglinge murmelten schüchtern ihre Grüße. Vor allem den jüngeren, den blauhaarigen Aquarius, verstand man schlecht. Er verneigte sich ständig, während er sich niederließ, und wagte kaum den Blick zu heben. Der Greis, den Windtänzer Meister und Sternsang genannt hatte, quittierte es zunächst mit flüchtigem Nicken und bedeutete ihm endlich, damit aufzuhören. Aquarius gehorchte und saß still. Eine längere Phase des Schweigens folgte.
    Über Aquarius wusste Vera Akinora wenig. Vor zwei Jahren war er aus den kargen Wäldern um die Elysium-Seen in die Waldgebiete östlich von Phoenix gezogen. Mit nichts als seinen Kleidern auf dem Leib und einem Brief seines Sippenbaumsprechers an Windtänzer. Seitdem folgte er dem Meister, wohin dieser ging.
    Er hatte lange Glieder, sehr große und blaue Augen und etwas dunklere Haut als Schwarzstein, und weit weniger Pigmentflecken als der. Es hieß, Aquarius könne die Aura anderer Menschen sehen und ihre Gedanken und Gefühle erspüren.
    Der Uralte blickte grübelnd in das schwelende Feuer. Seine Augen kamen Vera Akinora plötzlich größer vor, und ein feuchter Glanz lag in ihrem hellen Grün. Windtänzer und seine Schüler hockten auf den Fersen und betrachteten ihre gefalteten oder auf den Oberschenkeln liegenden Hände. Der Himmel über dem Felskesselgrund verdüsterte sich zusehends, im Feuer knisterte verglühendes Holz, und aus den Holzröhren vor den Felsspalten summte und flüsterte ein monotoner Klangstrom.
    Der Feuerschein spiegelte sich in einem Schmuckstück am schwarzen Pelzmantel des Uralten. Groß wie eine Kinderhand war es und fesselte Vera Akinora Aufmerksamkeit. Es bestand zum größten Teil aus einem gelben, mit roten Edelsteinen besetzten Metall, hatte die Form eines Kreuzes und hing an der rechten Brustseite des Pelzmantels, also direkt über dem Herzen des alten Mannes.
    Sicher kannte Vera Akinora das Symbol des Kreuzes, und als historisch gebildete Frau wusste sie auch um seine Bedeutung für jene große Religion, die ihre Vorfahren einst zusammen mit der Erde hinter sich gelassen hatten. Vom Vorkommen eines derart intensiv leuchtenden roten Edelsteins auf dem Mars wusste sie jedoch nichts. Diese Wissenslücke wäre noch zu erklären gewesen, denn das Waldvolk kannte viele Dinge, von denen man in den Städten keine Ahnung hatte. Ein gelbes Metall allerdings, das auf diesem Planeten geschürft wurde, müsste sie kennen. Immerhin hatte sie vor Jahren als Präsidentin der Regierung vorgestanden, und jede Tonne Metall, die aus dem Marsboden gewonnen wurde, gleich welcher Art, war sorgfältig dokumentiert über ihr Arbeitspult gegangen. Tatsache aber war: Sie hatte ein solches Metall noch nie zuvor gesehen.
    Irgendwann fasste der Uralte wieder nach den Griffen an den Schnüren seiner Holzröhren und begann daran zu ziehen.
    Sofort schwoll der Klangstrom von oben an und füllte die Luft über dem Plateau mit Summen, Heulen und Flüstern. Es war, als würde ein Chor toter Seelen aus dem Jenseits raunen. Vera Akinora zog die Schultern hoch. Sie fror, und sie hatte Hunger.
    »Narren, Hohlköpfe, Dummbärte!«, zischte der Greis.
    »Keine Speise des Kosmos, kein noch so geheimes Wissen wird sie jemals wirklich satt machen! Keine noch so kühne Kunst wird sie jemals befriedigen! Immer darauf bedacht, ihre Macht zu vergrößern und den Raum für ihre gefährlichen Spiele zu erweitern, wollen sie immer mehr und mehr und greifen nach allem, das Fortschritt und Wachstum verheißt. Ha! Wachstum der Bosheit! Fortschritt über den Rand des Abgrunds hinaus! Wie sie ihr eigenes Verderben lieben…!«
    Mit düsteren Worten geißelte er die Städter und ihr Vertrauen in Wissenschaft und Technik.
    Vera Akinora hörte nichts wirklich Neues; fast langweilte der Uralte sie. Sie wusste doch selbst, welche Gefahr ein Erdenmann für das sorgsam austarierte politische Gleichgewicht auf dem Mars darstellte. Zumal einer, der leidlich zivilisiert erschien, wie Maya andeutete, ja sogar über grundlegende Theorien und Fertigkeiten irdischer Wissenschaft und Technik verfügte. Nicht umsonst hatte sie die Waldleute
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