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155 - Kriminalfall Kaprun

155 - Kriminalfall Kaprun

Titel: 155 - Kriminalfall Kaprun
Autoren: Uhl Hannes
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und Fahrwerk aufeinandergesetzt werden.
    Die alte Bahn auf dem Schmiedinger Kees, so heißt der Gletscher auf dem Kitzsteinhorn, ist in die Jahre gekommen. In den 1970er-Jahren galt sie noch als Wunderwerk der Ingenieurskunst, das nahtlos an die Errichtung der Tauernkraftwerke anschließen sollte, die an der Ostflanke des Kitzsteinhorns liegen. Die zwei Staudämme in hochalpiner Lage, Limberg und Moserboden, waren zum nationalen Mythos geworden, zum Symbol für den Wiederaufbau Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg.
    Seit 1964 ist der Gletscher mit einer Gondelbahn über die Salzburger Hütte erreichbar. Der Skisport boomte in Wirtschaftswunderzeiten, und der Ansturm der Skifahrer war oft nicht zu bewältigen. Verschärfend kam hinzu, dass die Gondelbahn bei Sturm nicht fahren konnte. Dann gelangten die Skifahrer entweder gar nicht auf den Berg oder sie saßen auf 2450 Höhenmeternfest. Lang ist die Liste jener Menschen, die glaubten, alle Warn- und Verbotshinweise ignorieren zu können, auf eigene Faust die Abfahrt ins Tal versuchten und dabei starben. Es gibt hier nämlich keine Abfahrt, nur Felswände, rutschige, steile Wiesen und keinen Halt.
    Mit dem Bau der Bahn zwischen 1972 und 1974 sollten diese Probleme der Vergangenheit angehören. Der Gletscher sollte für den Massentourismus geöffnet und gleichzeitig sollte eine von Wetterwirren unabhängige Zu- und Abfahrt geschaffen werden. Ein verwegener Plan, ein noch nie dagewesenes Meisterstück. Ein 3,3 Kilometer langer Tunnel, durchschnittliche Neigung fast 50 Prozent, Maximalneigung in der Bergstation sogar 57 Prozent. Für eine Höchstgeschwindigkeit von zehn Metern pro Sekunde ist die Bahn konzipiert. Das bedeutet, in nur acht Minuten von 911 Höhenmetern im Tal auf 2450 Höhenmeter auf den Gletscher zu gelangen.
    Der Hydrauliker Unterweger hat also einen verantwortungsvollen Job. Er operiert am offenen Herzen des Sicherheitssystems der Standseilbahn. Sollte einmal das Seil reißen und der Zug im Tunnel abzustürzen drohen, wird seine Hydraulik mit 190 Bar Hochdruck automatisch zuschnappen. Die Feststellbremse nagelt den Zug an den Gleisen fest. Sie könnte damit eine ganze Horde Elefanten vor dem Absturz bewahren.
    Schnittiges Ding, dachte er, als er das erste Mal den neuen Zug am Kran hängen sah. Die Bahn hat sich gemausert, von der alten, klobigen, kantigen Metallgarnitur zum formschön geschwungenen Aushängeschild. »Seht her, hier in Kaprun haben moderne Zeiten Einzug gehalten!«
    In acht Minuten auf den Gletscher, in einem Gefährt, das den Vergleich mit dem französischen TGV oder dem deutschen ICE nicht zu scheuen braucht. Zugegeben, nicht annähernd so schnell, aber dafür mit dem Klettervermögen einer Gams. »Kitzsteingams« heißt denn auch einer der beiden Züge. Der andere trägt den etwas mystischeren Namen »Gletscherdrache«.
    Millimetergenau ist am Vormittag die neue »Kitzsteingams« auf ihr altes Stahlgerippe aufgesetzt worden. Alles hat gepasst. Nur bei Unterweger und seiner Hydraulik nicht. Dort, wo der erfahrene Techniker seine Messleitungen vom Chassis in das Pult zu den Manometern verlegen soll, ist dafür kein Platz.
    Stöhnend schält er sich unter dem Zug hervor, steigt die Leiter hinauf und sieht die beiden Elektriker immer noch in der Führerkabine stehen. Sie tuscheln und vermeiden seinen Blick.
    »Leute, da ist ein Heizlüfter im Weg, wo meine Leitungen hin sollen. Der steht einfach aus dem Fahrerpult des Führerstands raus.«
    »Ich weiß«, sagt einer der Elektriker genervt. »Es hat geheißen, es ist genug Platz für die Leitungen. Du musst sie halt um den Heizlüfter herumführen.«
    »Eine Maßanfertigung trotz Heizlüfter-Hindernis?«, antwortet der Hydraulik-Techniker mindestens so säuerlich wie sein Gegenüber, »das ist nicht dein Ernst. Ich hab’ da nicht einmal Platz, um mich irgendwie zu rühren, geschweige denn, Leitungen zu verlegen.«
    »Beruhig dich«, beschwichtigt der Elektriker, »wir bauen den Heizlüfter aus, dann kannst du dich bewegen.« Er nickt seinem Elektrikerkollegen zu.
    »Wie kommt der Heizlüfter überhaupt da hin?«, sagt der Hydraulikmonteur, immer noch indigniert, »ich meine, gerade da, wo meine Leitungen hin sollen?«
    »Die haben bei der Firma in Oberösterreich, wo der Zug zusammengebaut worden ist, nicht den richtigen Heizlüfter bekommen. Deshalb haben sie diesen da genommen und in der Wand des Fahrerpults versenkt.«
    »Aber warum versenkt? Jeder Heizlüfter hat eine
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