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1549 - Der steinerne Engel

1549 - Der steinerne Engel

Titel: 1549 - Der steinerne Engel
Autoren: Jason Dark
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Gestalt hinauswuchsen.
    Er stand in der Luft. Ob er die Flügel dabei bewegte, war nicht zu erkennen. Er schwebte über dem Tal, schien von den Menschen aber noch nicht entdeckt worden zu sein, denn die beiden Männer hörten keine Schreie aus dem Dorf.
    »Mein Gott«, flüsterte Luc Domain nur, »das ist der reine Wahnsinn!«
    »Ja, es gibt ihn.«
    »Und es gibt ihn lebend, Godwin. Bisher habe ich ihn lebend auch noch nicht gesehen. Ich musste mich da auf Erzählungen verlassen, aber jetzt…« Seine Stimme versagte, und als er Atem holte, gab es ein schlürfendes Geräusch.
    »Er wird uns gesehen haben«, sagte der Templer.
    »Darauf kannst du dich verlassen.«
    »Dann kommt es jetzt darauf an, was er zu unternehmen gedenkt oder?«
    »Ob er uns angreift?«
    Luc bewegte unbehaglich die Schultern. »Ich weiß es nicht. Er ist wohl auf etwas anderes programmiert, wenn ich das mal so sagen darf. Er holt sich aus den Familien die Erstgeborenen. Etwas, das er aus dem Alten Testament übernommen hat. Verlange jetzt keine Erklärung von mir. Später, alles später, wenn wir überleben sollten.«
    De Salier erwiderte nichts darauf. Er stand zwar nicht unter Schock, doch der Anblick hatte ihn fasziniert. Seine Kehle war ausgetrocknet, und die Zunge füllte seine Mundhöhle aus wie ein pelziger Ball.
    Noch beobachtete der Todesengel nur. Godwin fragte sich, wie lange das noch andauern würde. Irgendwann würde auch diese mächtige Gestalt die Geduld verlieren.
    Das Warten setzte sich fort. Keine Windbö konnte der Gestalt etwas anhaben.
    Sie stand in der Luft wie der berühmte Fels in der Brandung.
    Plötzlich lachte der Mönch auf. »Ich denke, wir werden einen erneuten Versuch unternehmen«, sagte er. »Mal schauen, wie unser Freund dann reagiert.«
    »Lass es lieber.«
    »Warum?« De Salier kam nicht mehr dazu, eine Antwort zu geben. Es schien, als hätte die mächtige Gestalt ihre Unterhaltung gehört. Die Flügel zuckten an ihren Enden, und dieses Zucken blieb nicht auf sie beschränkt, denn auch der Kopf bewegte sich.
    Es sah aus wie ein Nicken.
    Einen Moment später breitete der Todesengel seine Flügel aus, die dunkel wie Granit wirkten.
    Und zwei weitere Sekunden danach verlor er an Höhe und flog geradewegs auf die beiden Männer im Jeep zu…
    ***
    »Das packen wir nicht mehr!« Luc Domain wunderte sich selbst darüber, wie ruhig er den Satz ausgesprochen hatte. Möglicherweise eine Folge davon, dass er sich in seinem Leben schon öfter mit dem Tod auseinandergesetzt hatte.
    Auch Godwin de Salier blieb ruhig. Es stieg keine Todesangst in ihm hoch. Eher schon ein gewisses Interesse, und er glaubte auch nicht, dass der Engel ihn als Feind ansah.
    Der Engel nahm an Größe zu. Er hatte es nicht eilig, er flog beinahe schon langsam und irgendwie provozierend. Als wollte er jede Minute richtig genießen.
    Sie sahen ihn deutlicher. Aber es war nicht zu erkennen, ob er eine Kleidung trug. Und wenn, dann lag sie dicht an seinem Körper wie ein Latexanzug.
    Die Flügel bewegten sich nur so viel, wie es nötig war. Sehr langsam und irgendwie gedämpft. Es war kein Rauschen zu hören. Die übergroße Gestalt beherrschte das lautlose Fliegen, was schon etwas Besonderes war.
    Die Männer im Auto rechneten damit, dass dieser dunkle Todesengel jeden Moment den Boden erreichte. Er hätte sich nur noch etwas sinken lassen müssen, doch darauf verzichtete er. Das Schweben schien ihm zu gefallen, und so bewegte er sich weiterhin auf das Fahrzeug zu.
    Das Gesicht machte auf sie den Eindruck, als wäre es aus Stein gemeißelt.
    Jetzt wussten sie, dass sie es nicht mit einem normalen Menschen zu tun hatten. Sie wurden wieder daran erinnert, wie man den Engel auch nannte. Eben steinern.
    Der Mönch fand seine Sprache wieder.
    »Der zertrümmert uns den Wagen«, flüsterte er. »Verdammt noch mal, das kann einfach nicht gut gehen.« Er schüttelte den Kopf und sah, dass dieser unheimliche Todesbote bereits dicht über dem Serpentinenweg flog. Es war nur noch eine Frage von Sekunden, wann er sie erreicht hatte und…
    Godwin schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte er.
    »Wieso?«
    »Er wird uns nicht töten.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich spüre es.«
    Luc wollte zu einer Antwort ansetzen. Die blieb ihm jedoch in der Kehle stecken.
    In den folgenden Sekunden sah er, dass sich sein Freund nicht geirrt hatte.
    Der Todesengel war da und tat ihnen nichts!
    Verkrampft saßen die Männer im Schatten der riesigen Gestalt auf den Sitzen. Beide
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