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1485 - Er spielte auf zum Höllentanz

1485 - Er spielte auf zum Höllentanz

Titel: 1485 - Er spielte auf zum Höllentanz
Autoren: Jason Dark
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Sie sitzt tief in dir.«
    Er nickte. »Ja, das ist wohl so. Aber ich kann es nicht fassen. Es macht mich verrückt. Ich höre das Spielen der Geige, aber es ist keine Musik, wie ich sie mag. Sie ist so ganz anders. So atonal. Schrill und jammernd zugleich. Das spiele ich nicht in unserem Orchester. Es kommt nicht von mir, nicht aus meinem Innern. Es dringt von außen in mich ein, und das ist das Schlimme.«
    »Hörst du es jetzt noch?«
    »Zum Glück nicht.«
    »Das ist schön.«
    Alan schaute die Frau an. »Aber es wird zurückkehren, das weiß ich. Da bin ich mir sehr sicher. Es kommt zurück, und dann ist der Horror wieder da. Ich bin Musiker. Ich will spielen. Ich liebe die Klassik, aber nicht das Grauen nach Noten. Das ist furchtbar. Das ist eine seelische Folter durch die Musik.«
    »Da muss ich dir zustimmen.«
    Alan Scott schlug die Hände vor sein Gesicht. Den Mund ließ er frei, sodass er sprechen konnte. »Ich möchte es am liebsten nicht wissen. Aber was ist während meiner Hypnose passiert? Kannst oder willst du mir das sagen?«
    »Nur wenn du es möchtest.«
    »Ja, bitte.«
    »Du hast es dir auch gut überlegt?«
    Er nickte. »Das habe ich. Ich hoffe, dass es mir helfen kann. Es darf so nicht weitergehen. Wenn es sich fortsetzt, dann werde ich verrückt und irgendwann durchdrehen. Das hegt doch nahe, oder?«
    »Es könnte passieren.«
    Kira Sandrock saß ihrem Patienten gegenüber. Er fasste jetzt nach ihren Händen. »Ich bin stark, Kira. Egal, was kommt. Ich reiße mich zusammen.«
    »Okay.«
    »Dann rede.«
    Sie wusste nicht so recht, wie sie anfangen sollte. Alan Scott war nicht ihr erster Patient. Sie kannte sich aus, und sie wusste, dass sie ihn nicht schocken durfte. Deshalb sprach sie ihren Patienten mit sehr leisen Worten an.
    »Du bist wirklich in den tiefen Schlaf gefallen, Alan, und wir haben vorher ausgemacht, dass ich unser Gespräch nicht aufzeichnen werde. Das habe ich auch nicht getan. Ich werde dir jetzt aus meiner Erinnerung wiedergeben, was ich erfahren konnte.«
    »Bitte, tu das.«
    Kira ließ es langsam angehen. Sie sprach davon, wie er eingeschlafen war. Dann kam sie darauf zu sprechen, was er während der Hypnose gesagt hatte. Klare Worte, die sich allesamt auf die Musik bezogen.
    »Dabei hast du sie auch beschrieben, Alan. Sehr genau sogar. Fast jeden Ton.«
    »Und weiter?«
    »Die Musik ist schlimm gewesen. Du hattest Angst, eine große Angst…«
    »Das weiß ich. Das kenne ich schon. Ich habe die Musik ja schon öfter gehört. Immer dann, wenn ich nicht wollte. Deshalb bin ich zu dir gekommen. Aber da muss doch noch etwas gewesen sein.«
    Kira Sandrock überlegte, ob sie ihm die Wahrheit sagen sollte.
    Doch er musste Bescheid wissen, auch wenn es ihn schockte, und sie näherte sich sehr behutsam dem Thema. Sie sprach weiterhin mit leiser, aber intensiver Stimme.
    »Du hast den Geiger gesehen, Alan.«
    »Was? Ich?« Vor Schreck öffnete er die Augen weit.
    »Ja, du hast ihn mir beschrieben.«
    »Und wer war er? Wie sah er aus?«
    Die gleichen Fragen hatte sie ihm in etwa auch gestellt. Nur lief jetzt alles umgekehrt ab.
    »Er war so hässlich. Kein Mensch irgendwie. Ich würde eher von einer Kreatur sprechen.«
    Alan Scott war nicht eben begeistert, dass seine Therapeutin nicht weitersprach. Er wollte die Wahrheit wissen und drückte ihre Hände fester.
    »Bitte, du musst reden. Sag endlich etwas. Ich – ich will es hören. Ich muss es hören.«
    Mit leiser Stimme gab sie ihm die Beschreibung, die sie von ihm erhalten hatte. Alan war bereit, die Wahrheit zu akzeptieren, auch wenn er sie ungläubig anschaute. Es war wirklich nicht einfach, eine derartige Kreatur zu beschreiben.
    Je mehr sie sagte, umso stärker zuckte der Musiker zurück. Sein Mund öffnete sich, aber es drang nicht ein Wort über seine Lippen.
    Er saß da und zitterte, doch er sprang nicht auf, um schreiend davonzulaufen.
    »Nun, das ist die Wahrheit.« Kira schaute ihrem Patienten ernst ins Gesicht. »Die gesamte Wahrheit. Mehr kann ich dir wirklich nicht sagen.«
    Alan Scott sagte nichts mehr. Er war stumm geworden. Er hielt dabei den Kopf gesenkt und schaute auf seine Knie. Einige Male zog er die Nase hoch, schluckte und schüttelte dabei den Kopf, und es war ihm anzusehen, dass die Furcht ihn in den Klauen hielt. Seine Augen waren klar, aber verdreht. Der Blick war nach irgendwohin gerichtet.
    Kira Sandrock befürchtete, schon zu viel gesagt zu haben, aber sie irrte sich, denn ihr Patient nickte, als er
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