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1472 - Loge der Unsterblichen

Titel: 1472 - Loge der Unsterblichen
Autoren: Unbekannt
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Gefängnis. Der Körper, als Träger des Geistes, war die materielle Komponente, Basis und Mittler für freie geistige Entfaltung.
    Die Amarena nahmen nicht für sich in Anspruch, den einzig richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Es gab viele Gegenbeispiele für andere erstrebenswerte und praktikable Daseinsformen; wie etwa das dieser Superintelligenz, in deren Mächtigkeitsballung sich die Amarena niedergelassen hatten, und das anderer Superintelligenzen. Und es gab noch höherrangige Entitäten als die Superintelligenzen, die reiner Geist waren und dennoch auch Meister der Materie. Nein, die Amarena waren nicht so vermessen zu glauben, den besten möglichen Weg gewählt zu haben.
    Diese Art der Existenz war nur die beste und einzig denkbare für sie selbst.
    Leben und leben lassen, das war ihre Philosophie, seit sie ins ZEITAL-TER DES GEISTES getreten waren. Auch während ihres weiteren Reifeprozesses hatte sich an dieser Einstellung nichts geändert.
    Iridora konnte sich ein Leben nicht vorstellen, in dem sie nicht auch mit den Augen der animalischen Lebewesen sehen durfte. Wie konnte sie das Leben begreifen lernen, wenn sie sich nicht in die Lage jener Lebensformen versetzen konnte, die am Beginn der Evolutionskette rangierten?
    Es war wichtig, das Erleben einer Pflanze nachvollziehen zu können; wenn sie mit ihren Wurzeln dem Boden das lebensnotwendige Naß, der Luft das Kohlendioxid entzog und mit jeder Faser ihres der Sonne entgegengereckten Körpers die Photosynthese vollzog. Das Geheimnis des Blattgrüns war im Kreislauf des Lebens so wichtig wie das Wissen um die Entstehung eines Black Höles oder die Erkenntnisse über die Geburt eines Universums.
    Jedes Glied in der Kette der Evolution war so wichtig wie die Gesamtheit.
    Wie konnte man angesichts dieser so elementaren Erkenntnisse auf Körperlichkeit verzichten, sie gar als lästig empfinden?
    Die Eindrücke, die ihnen ihre Sinne vermittelten, waren für die Amarena das Salz des Lebens. Wer sie nicht mehr besaß, der hatte sein Maß für die Beurteilung des Lebens verloren.
    Es gehörte zu ihren wichtigsten Erfahrungen, den Duft der Welt auf jene Weise einzuatmen, wie es auch der Wilde vermochte: Die Luft in der man lebt, das Nebenan, den Partner, den Freund - und auch den Feind - riechen zu können.
    Wie sollte man den Werdegang, das Handeln und Streben der Wilden verstehen, wenn man sich nicht in ihre Lage versetzen, nicht in ihre Haut kleiden konnte!
    Es gab auch dafür ein Beispiel aus der Kosmologie, die auf die Amarena abschreckend wirkte. Das waren die Kosmokraten, die Wächter über die kosmische Ordnung, jene Entitäten, die über den Superintelligenzen standen. Die Kosmokraten lebten - falls man dies als „Leben" im Sinne des Wortes bezeichnen konnte - in einem Bereich hinter den Materiequellen und nahmen von dort Einfluß auf das kosmische Geschehen. Doch waren diese Kosmokraten außerstande, die Geschöpfe, für die sie Schicksal spielten, auch zu begreifen.
    Man konnte einwenden, daß die Kosmokraten gar kein Interesse an Schicksalen hatten, denn so wenig sie die in den Universen lebenden Geschöpfe verstanden, so wenig interessierten sie sie auch. Die Kosmokraten waren lediglich am geordneten Ablauf der kosmischen Entwicklung interessiert. Sie sahen den Kosmos als einen hyperphysikalischen Organismus, der strengen Regeln der Funktionalität unterworfen war. Das entschuldigte ihre Blindheit gegenüber den Schicksalen von Lebewesen. Doch was ihnen zur Entschuldigung gereichte, mußte ihnen gleichzeitig zum Vorwurf gemacht werden.
    Denn die unendlich vielfältigen Lebensformen waren es, die den Kosmos belebten und ihm Bestimmung gaben. Sie waren die Rechtfertigung für seine Existenz. Die erste Urzelle war zugleich auch der Stammvater der Kosmokraten und jener, die über ihnen stehen mochten.
    Oder nicht?
    Vielleicht nicht, Iridora wollte sich da nicht festlegen, denn die letzten Geheimnisse hatten auch die Amarena noch nicht enträtselt - hätten sie dies geschafft, dann hätten sie gleichzeitig ihr Lebensziel erreicht.
    Aber davon waren sie noch weit entfernt, und vielleicht, so dachte Iridora, widerstrebte es ihnen in ihrem Innersten, dieses Ziel zu erreichen und dann auf die Freuden des Lebens zu verzichten.
    Vielleicht lag der Sinn des Lebens darin, seinen Sinn zu ergründen zu versuchen. Das taten die Amarena und kosteten es zugleich bis zur Neige aus. Denn möglicherweise war Leben auch einfach nur für den einen Sinn und Zweck
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