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1459 - Die Hexe und ihr Henker

1459 - Die Hexe und ihr Henker

Titel: 1459 - Die Hexe und ihr Henker
Autoren: Jason Dark
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sah die beiden Gestalten darin. Die Hexe und ihr Henker, die im Spiegel umgeben waren von einer fahlen Dämmerung. So kam das helle Kleid der Hexe noch deutlicher zur Wirkung.
    Der Henker stand hinter ihr. Seine Sense hatte er angehoben. Die Schneide befand sich jetzt dicht über seinem Kopf.
    Okay, das Bild schockte mich nicht. Ich hatte es erwartet.
    Aber es gab noch eine dritte Person im Spiegel, und die saß vor den beiden anderen auf einem Hocker.
    Assunga, die Schattenhexe!
    ***
    Also sie!
    Assunga mischte also wieder mit. Beinahe hätte ich es mir denken können. Es war einfach zu oft der Begriff Hexe gefallen. Trotzdem, ich wollte es nicht übertreiben. Ihr Erscheinen sah ich schon als eine echte Überraschung an.
    Ich kannte Assunga und wusste deshalb auch, welch eine Macht sie besaß. Wenn sie die Fäden zog, war es kein Wunder, dass die Grenzen zwischen Raum und Zeit verschwammen. So etwas bedeutete für sie kein Hindernis.
    Sie lächelte mich an und schwieg. Dabei sah sie aus wie immer. Sie trug ihren schwarzen Mantel oder Umhang mit dem gelben Innenfutter aus Haut. Unter ihrem Kinn wurde das Kleidungsstück von einer Brosche zusammengehalten. Es war so etwas wie ein Zaubermantel. Wenn sie ihn öffnete und einen Menschen dicht an sich heranholte, dann war sie in der Lage, beim Schließen des Mantels sich selbst und auch den anderen verschwinden zu lassen.
    Ich hatte es nicht nur einmal erlebt.
    Assunga war nicht unbedingt darauf aus, mich für immer aus dem Weg zu schaffen. Wir hatten einige Male sogar auf einer Seite gestanden, worauf ich in diesem Fall allerdings nicht bauen konnte.
    Diesmal zog sie ihr eigenes Spiel durch, und zwar zusammen mit zwei Verbündeten, der Hexe und ihrem Henker.
    Ich hatte meine Überraschung zwar verdaut, setzte aber trotzdem eine Frage nach, die nur aus einem Wort bestand.
    »Du?«
    Aus dem Spiegel drang die Antwort. Nicht unbedingt klar, sondern leicht verzerrt.
    »Wie du siehst, Geisterjäger.«
    »Und was bedeutet das alles?«
    »Ich bin gekommen, um zu helfen. Ich kann Freunde von mir nicht leiden sehen.«
    »Ja«, sagte ich leise, »allmählich begreife ich. Du hast ihnen zur Seite gestanden.«
    »Es war meine Pflicht. Sie hätten niemals Ruhe gefunden. Ich musste ihnen den richtigen Weg weisen. Ich kann Lucia nicht leiden sehen. Sie ist so etwas wie eine Schwester.«
    »Aber niemand hat ihnen etwas getan!«, hielt ich dagegen. »Sie hätten ihre Ruhe haben können.«
    »An einem entweihten Ort etwa?«
    »Ja, auch.« Ich lächelte. »Wieso ist dieser Ort entweiht? Das ist mir nicht klar!«
    »Sie haben vor langer Zeit hier gelebt. Da sah es hier noch etwas anders aus. Hier, wo wir jetzt stehen, hat sich ein Richtplatz befunden. Hier trieb man diejenigen hin, die bestraft werden sollten. Ein kleiner Platz mit großer Wirkung.«
    »Deshalb auch der Henker.«
    »Ja. Es war der Henker mit der Sense, der die Verurteilten an diesem Ort umbrachte.«
    »Demnach auch Hexen«, sagte ich.
    »Sehr richtig.«
    »Und viele Unschuldige. Frauen, die denunziert wurden, zum Beispiel. Das kennt man ja aus der Geschichte.«
    »Wenn du so willst, stimmt das.«
    »Und jetzt?«
    »Sehe ich mich als Lucias Beschützerin an. Ich kann verstehen, dass sie den Ort zurückhaben will. Sie und der Henker. Beide haben sich hier wohl gefühlt.«
    »Und weiter? Wieso sind sie Freunde oder Verbündete? Hätte der Henker sie nicht töten müssen? Hat man ihn nicht Hexen zugeführt, damit er sie hinrichtete?«
    »Das hat man. Aber es gab Unterschiede. Lucia war anders. Sie war so etwas wie eine Heilige. Sie schwebte über allen, und sie stand oder steht unter meinem Schutz. Sie war ein Wunder. Ich habe sie sehr gemocht. Ich mag sie noch immer, und deshalb wird sie auch die nötige Unterstützung erhalten.«
    »Ach…«
    »Ja, Geisterjäger, so ist das. Sie steht unter meinem Schutz. Schon immer hat sie zu mir gehört. Sie war eine Vertraute von mir. Ich habe sie durch die Welt wandern lassen, und sie hat mir immer Bericht erstattet. Sie war eine Spionin. Sie war die Frau in Weiß und hat den Menschen viel Gutes getan. Aber du weißt selbst, wie undankbar die Menschen sind, und so kam es, wie es kommen musste. Sie haben sich als wenig dankbar erwiesen und nahmen sie gefangen. Hier, wo wir jetzt stehen, hätte der Henker sie hinrichten sollen, und das unter den Augen zahlreicher Zuschauer. Mit der Sense hätte er ihr den Kopf abtrennen sollen. Doch so weit kam es nicht. Ich war stärker. Ich wollte nicht,
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