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1444 - Legende und Wahrheit

Titel: 1444 - Legende und Wahrheit
Autoren: Unbekannt
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eisigblauen Himmel aufragte und seit ungezählten Jahrtausenden von der Größe der Anoree kündete.
    Aber nichts dergleichen war zu sehen.
    Als das Boot landete, war lediglich eine kleine, nicht einmal mannshohe Pyramide in Sicht, die sich unversehens aus der Monotonie des frostbraunen Grases erhob.
    Wortlos öffnete Degruum die Schleuse und ließ seine Fahrgäste aussteigen. Sie trugen leichte Allzweck-Kombinationen, die kaum einen Schutz gegen die Witterung boten. Die Luft war eiskalt. Ein mäßiger Wind blies über die Insel und ließ die Kälte noch um ein paar Grad beißender erscheinen. Das trübe Auge der Sonne Gamesh stand eine Handbreit über dem westlichen Horizont. Wenn die Nacht einsetzte, würde das Land ringsum im Frost erstarren.
    Degruum führte sie zu der kleinen Pyramide. Das Gras knisterte spröde unter den Füßen. Die Pyramide bestand aus einem schimmernden, anthrazitfarbenen Material. In die vier Seitenflächen waren fremdartige Symbole graviert, nicht Ornamente, wie es schien, eher Schriftzeichen eines fremden Alphabets. „Das ist das Denkmal meines Volkes", sagte Degruum. „Das ist seine letzte Hinterlassenschaft auf der Welt des Ursprungs."
    Julian Tifflor entschied, daß der Augenblick der Wahrheit gekommen sei. Es war vorbei mit den Lügen, den Vorspiegelungen und Vortäuschungen.
    Von jetzt an würde Klartext gesprochen werden. „Warum hat dein Volk diese Welt verlassen?" fragte er.
    Degruum machte eine Geste, die rund um die Insel und noch weiter hinaus reichte. „Siehst du es nicht? Die Sonne ist alt.
    Die Welt des Ursprungs stirbt. Wie hätten wir hier überleben sollen?"
    „Aber ihr seid diejenigen, die das Netz der Schwarzen Sternenstraßen eingerichtet haben?"
    Da wurden die Augen des Anoree plötzlich ganz groß. Mit verwundertem, ängstlichem Blick waren sie auf den Terraner gerichtet. „Ja, das weißt du. Was soll die Frage?"
    „Ihr habt ein Wunderwerk geschaffen.
    Ihr habt die Fundamentalkräfte der Natur gebändigt und gezügelt, indem ihr die Energien der Schwarzen Sternentore anzapftet. Ihr habt Straßen gebaut, die überallhin führen - bis in die entlegensten Abschnitte des Universums. Aber dein Volk war nicht in der Lage, den Zerfall einer Sonne aufzuhalten? Es mußte diese Welt verlassen, weil Gsimesh nicht mehr genug Wärme zur Verfügung stellte? Wie soll man sich das zusammenreimen?"
    „Ich weiß es nicht." Degruums Worte kamen hastig. Die Stimme zitterte. Es war offensichtlich, daß er sich in die Enge getrieben fühlte. „Die Einzelheiten... weiß niemand mehr. Es ist schon soviel Zeit verstrichen..."
    Julian Tifflor trat auf die Pyramide zu und versetzte ihr einen leichten Tritt.
    Degruum zuckte zusammen. Erschien ihm die Handlung des Terraners als Lästerung? „Vielleicht gibt diese Inschrift Aufschluß", sagte Tifflor. „Sie ist in den Symbolen einer fremden Sprache abgefaßt.
    Lies sie uns vor."
    Degruum stand starr. Der Blick der schreckgeweiteten Augen fixierte das Denkmal. „Ich kann... die Inschrift nicht lesen."
    Pfeifend kamen ihm die Neyscam-Worte aus dem Mund. „Dieses Alphabet wird nicht mehr benützt. Ich bin Emotionalytiker, nicht Archäologe. Du kannst nicht von mir erwarten, daß ich..."
    „Ich kann von dir erwarten, daß du endlich die Wahrheit sagst!" fuhr ihm Julian Tifflor mit donnernder Stimme in die Parade.
    Der Anoree, einen Kopf größer als der Terraner, duckte sich unter den anklagenden Worten. Fast mochte er einem leid tun. Er wußte in diesem Augenblick, daß man der großen Lüge auf die Schliche gekommen war. Trotzdem unternahm er noch einen zaghaften Versuch, sich zu verteidigen. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst", brachte er mühsam hervor. „Welche Wahrheit meinst du?"
    „Die Wahrheit, daß die Anoree nicht die Erbauer der Schwarzen Sternenstraßen sind", antwortete Julian Tifflor
     
    5.
     
    Degruum reagierte auf unerwartete Weise. Es gab einen Augenblick, in dem jedermann damit rechnete, daß er zusammenbräche: Er taumelte und schlug in fast menschlicher Weise beide Hände vors Gesicht. Dann wandte er sich ab und schritt aufs Boot zu. Das Schleusenschott fuhr vor ihm auf. „Wenn er jetzt mit dem Ding abhaut, stehen wir ziemlich dumm da", sagte Bolder Dahn und massierte sich die Arme, weil ihm die Kälte zusetzte.
    Julian Tifflor winkte ab. „Laßt ihn. Ich glaube, ich weiß, was er vorhat."
    Degruum verschwand im Innern des Fahrzeugs. Eine Minute verging voller Spannung. Wenn das Triebwerk aktiviert worden
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